Am nächsten Morgen haben wir gut ausgeschlafen und sind recht rasch aufgebrochen. Heute stand viel auf dem Plan, denn wir wollten uns Avignon am helllichten Tag erkunden und ein Stück der Camargue anschauen, bevor wir zu unserer Ferienwohnung fahren. Dafür mussten uns vorher noch schnell Umparken. Am Grand Hotel am Bahnhof, gleich an der charmanten Baustelle, da war ein Parkhaus, leichter herunter gekommen, teuer, aber leer und fussläufig zum Zentrum.
Von da ging es ratzfatz in die Altstadt, durch die Prachtstrasse Cours Jean Jaurès und den Square Agricola Perdiguier mit einer dieser alten Telefonzellen aus London, so schön rot. Der Platz war für einige Einheimische einfach eine Mittagsruhezone unter den alten, schattigen Bäumen.
Abseits der Hauptstrassen, die direkt zum Papstpalast führen, wirkte Avignon ursprünglicher und rustikaler, mit teils etwas bröckelnder Charme an der Fassade. Aber genau das machte die Stadt authentischer, nicht so herausgeputzt. Wie schon in Italien unterhielten sich die Nachbarn auch über die Strasse hinweg. Das machte es einfach sympathisch.
Wir sind dann weiter durch die schattigen Strassen bis hin zu einer Kirche Saint-Didier, aus der Leute von der Sonntagsmesse kamen, mit einem wirklich fotogenen Platz dahinter (Postkartenfotoalarm). Und wenn man so durch die noch halb verschlafenden Gassen im sanften Sonnenlicht schlendert, hat Avignon schon was Romantisches.
Wir haben uns treiben lassen und sind dann durch Zufall von anderen Seiten zum Papstpalast gekommen. Die Gasse, sorry, die Rue de la Peyrolerie, is ne „Strasse“, wurde hier immer enger und der Palast thronte auf dem gelben Felsen über uns und der Stadt, einfach majestätisch, riesig, und eindrucksvoll. Weiter oben in dem Felsen am „Fuss“ des Palastes hatte sich ein Obdachloser eingerichtet und wurde auch von einer alten Frau versorgt. Das war echt schön mit anzusehen. Ach ja, der Papstpalast war nicht ohne Grund hier, denn der Papst hat hier mal für so 400 Jahre residiert. Daher musste man(n) sich ja auch häuslich einrichten, mit halt so nem Bunker, der über alle Häuser der Stadt ragt. Musste man ja sehen können, was man so hat oder kann…
Wie gestern Abend war der Place du Palais voll mit Touris, die sich vorm Eingang des Palastes in Schlange anstellten oder einen Kaffee in den Strassencafés am Platz genossen. Wir sind dann weiter hoch in Richtung Park zur Kirche neben dem Papstpalast. Natürlich brauchte der Papst noch seine eigene Kirche und zwar mit dem bescheidenen Namen Notre Dame des Doms d’Avignon. Das Innere der Kirche war schon, zwar recht dunkel, aber die Fresken waren eindrucksvoll.
Eigentlich wollten wir durch den Park schlendern, aber die haben den wohl nach dem Weinfest vom Vortag aufgeräumt und deswegen geschlossen. Also nichts mit dem Parkspaziergang. Dafür sind wir dann runter zur Brücke, vorbei an den ganzen Touri-Lavendelläden mit so viel Lila und Lavendelduft, dass man dachte, man wird von einem getrockneten Lavendelstrauss erschlagen. Es gab da in jedem Läden alles möglich mit oder aus Lavendel, Seifen und Handtücher und Stoffpuppen oder kleine Duftsäckchen. Und wir sind halt daran vorbei und zu der Brücke von Avignon gelaufen.
Oder wie sie in richtig heisst: Pont de St. Benezet. Ja, des Heiligen Benedikt. Der Schäferjunge Benezet soll angeblich Gottes Stimme gehört haben, die ihm sagte, dass er da in Avignon ne Brücke bauen soll. Also is er zum Papstpalast gegangen und hat dem Papst davon erzählt und bat um Geld für den Brückenbau. Der Papst wollte sich aber nicht veräppeln lassen und rückte erstmal kein Geld raus. Er meinte: „Ja, das Geld kriegste, wenn du den Stein da (einen fetten Felsbrocken, der aufm Papstplatz rumlag) zum Wasser bringst.“ Quasi als Grundstein. Und der Benezet hat das gemacht. Heute den schweren Stein und trug ihn zum Fluss und zack war der Grundstein gelegt. Gut, das ist die Legende. Die Brücke wurde wohl eher von einem Kaufmann im Mittelalter gebaut und zwar mit damals modernste und innovativer Bautechnik.
All diese wunderbaren Infos und noch vieles mehr erfahrt ihr im Museum der Brücke und über den Audioguide. Der Eintritt kostet 5€ und der Audioguide ist inklusive. Ich fand die geführte Auditour mit all den Infos echt interessant, aufklärend und beeindruckend, es war so viel, das kann man sich fast alles gar nicht merken. Allein im Untergeschoss des Wehrturmes wird die Baugeschichte mit Animationen, Infotafeln und Film erklärt (für die Eiligen unter euch ist der Film ausreichend). Und für diejenigen Leser unter euch, die nicht so schnell nach Avignon kommen, gibt es jetzt eine kleine Zusammenfassung. Wer das nicht möchte, klickt einfach hier.
Also: Die Pont d’Avignon wurde im 12. Jahrhundert erbaut und ging einmal über das ganze Flusstal. Heute stehen nur noch vier der einst 22 Pfeiler mit damals insgesamt 24 Bögen. An jedem Ende der Brücke stand ein Wehrturm mit einer Zugbrücke, einer davon ist heute der Museumsbeginn. Aber die Architektur der Pfeiler war innovativ: Die Füsse der Pfeiler sind rautenförmig und nur die Aussenfassade wurde gemauert, das Innere wurde mit Kies aufgeschüttet, um eine bessere Stabilität zu ermöglichen. Als die Brücke dann nach langer Bauzeit fertig gestellt war (sie hatte übrigens einen Knick und verlief nicht gerade über das Flussbett), war sie nur zu Fuss und Pferd überquerbar, aber letzteres schien wohl aufgrund der weissen, glatten Steine fast unmöglich. Es gibt zeitgenössische Berichte, die davon erzählen, wie Pferde mit ihren Hufeisen ausrutschten, und bei Regen wurde die Brücke selbst für Passanten zur Rutschpartie. Wegezoll wurde nicht nur fürs Überqueren, sondern auch für das Passieren zu Wasser genommen. Nur irgendwie entwickelte sich Avignon im Mittelalter zur Schmugglerhochburg für Salz und dann haben die dann da unter den Pfeilern immer so Deals gemacht, dass das mit dem Wegezoll klar ging. Noch etwas Besonderes ist die Kapelle auf der Brücke, die auch vom Wasser her zugänglich war. Also alles in allem ein modernes Meisterwerk, das noch heute hätte vollständig stehen können, hätten die Architekten damals schon ne Art Wettervorhersage mit Satelliten gehabt. Eine kleine Eiszeit im 16. Jahrhundert sorgte dafür, dass die Pfeiler immer brüchiger wurden und die Brücke nach und nach einstürzte, bis auf den Rest, der heute noch steht.
Aber dieser Rest ist wunderschön, entweder von unten an der Strasse, aber wie ich finde, noch viel schöner, wenn man auf der weissen Brücke steht. Vor einem endet sie abrupt und unter sieht man nur das dunkeltürkisgrüne Wasser des Rhônenebenarmes mit den hellgrünen Wasserlinsen, die in der Strömung an der glitzernden Wasseroberfläche schwammen.
Dreht man sich dann um, hat man die beste Aussicht auf die Skyline Avignons, denn der Papstpalast und der Park Roche de Dome überragen die Dächer der Stadt und geben ein echt traumhaftes Bild ab. Ja, kann man auch fotografieren, wenn man möchte. Hübsch, wenn auch simple, ist auch die kleine Kapelle mit den bunten Fenstern, in denen sich Tauben putzen und die farbige Schatten auf den rustikalen, leicht staubigen Boden werfen.
Also ich fand es echt wunderschön auf der Brücke, das Bauwerk an sich, bzw. der Rest, der noch da ist, seine Geschichte und seine wunderbare Lage vor den Toren der Stadt.
Wir sind dann langsam wieder zurück, vorbei an den lila Lavendelläden, aus denen nach wie vor ein Geruch rausströmte, oy. Aber die Seitengassen sind einfach so schön menschenleer, dass es einen fast wieder erschlägt, wenn man am Place du Palais rauskommt und dann langsam zum Place de l’Horoge, der voll mit Touristen-Restaurants ist, die ihre Tische ein säuberlich in Reih und Glied in der Sonne aufstellen, direkt gegenüber vom Rathaus und einem historischen Karussell. Wir haben noch ein echt leckeres Eis aus dem Eiscafé Regal Glace gegessen und langsam zurück zum Auto.
Die anderen Strassen von Avignon ausserhalb des historischen, teils hübsch hergerichtetem Zentrum sind wirklich weniger sehenswert, weil heruntergekommen, usselig und man glaubt teilweise nicht, dass man sich gerade in Frankreich befindet. Doch es dauerte nicht lange, bis wir auf der Landstrasse gen Süden waren.