Um die Sommergeschichte vom letzten Jahr endlich mal zu Ende zu bringen, gibt es jetzt nochmal zwei Beiträge, die den letzten Tag unserer Tour d’Est erzählen. Hier gibt’s den ersten Teil. Wer sich nur für Weimar interessiert, kann hier abkürzen.
Meine alte Hood
Am nächsten Morgen lächelte uns nach dem Ausschlafen die Sonne an, als wir zum Frühstück zu Bagel Brothers sind, was genau ein paar Meter die Straße runter von unserem B&B Hotel war. Ich kannte Bagel Brothers noch aus meiner Studienzeit und hab damals vor allem den Blueberry Bagel geliebt habe. Das Frühstückchen war ok für den Start, aber der Bagel war irgendwie nicht mehr das, was ich in Erinnerung hatte, sie waren schon so gummiartig oder so. Egal. Der Kaffee war gut. Das ist ja das Wichtigste.
Nach der Stärkung haben wir unsere Trolleys übers Kopfsteinpflaster zum Auto geruckelt, um dann knapp 20 Euro Parkgebühren loszuwerden. Das Parkhaus Ost am Leipziger Hauptbahnhof ist halt das teuere. Im Parkhaus West bezahlt man nur 3 Euro am Tag, aber aus irgendeinem Grund ist das immer voll besetzt…
Bevor es zu unserem letzten Stopp der Reise, nach Weimar ging, bin ich mit meinem Freund erst mal in meine alte Wohnstrasse und das Viertel gefahren, in dem ich im unschuldigen Alter von sieben oder acht Jahren mit den Nachbarjungs und dem Mädel von gegenüber die Gegend unsicher gemacht hab. Kaum waren wir da, brabbelte ich los: Auf dem nicht mehr ganz so großen Platz war immer die Kleinmesse, bis ganz nach hinten, bis hinter die Sportanlange da ging das. Und da auf der anderen Seite ist der Clara(-Zetkin)-Park, da ist der Straßenbahn-Bahnhof und hier unterhalb der kleinen Brücke ist die Luppe, ein Müllschlammfluss, da an der Ecke meiner Heimatstraße waren mal Häuser. Hier links, wo jetzt der kleine Park ist, da waren auch mal Häuser und ein Spielplatz und daneben die Straße, die führte zu meiner Schule. Und das Haus ist noch so da wie damals, als ich gegenüber in den Kindergarten ging, ja da ist er, keine 50 Meter von unserem alten Zuhause, das war da! Da hab ich gewohnt, da in der 45, erste Etage rechts, das Wohnhaus sah noch aus wie damals, nur die Farben waren aufgefrischt, die Straße an sich war auch geebnet und geteert, es war also keine Achterbahnfahrt auf Kopfsteinpflaster mehr. Als wir am Ende der Straße links abgebogen sind, kamen wir noch an meinem Kindergarten-Garten vorbei und einer Parallelstraße, in der die Jungs gewohnt haben, mit denen ich die Schrebergärten in den Innenhöfen unsicher gemacht habe. Und wir sind noch durch die Straße gefahen, wo meine Oma mal gewohnt hat. Ich hab so viel erzählt, dass mein Freund wie ein Uhu um sich gucken musste, weil er dem folgte, wohin ich zeigte, und er war einfach nur ruhig.
Aber ich hab wirklich nicht vergessen, was wo ist in meiner alten Gegend ist, klar haben sich Häuserfassaden geschönert und Straßen ausgebessert, gar manche Wohnhäuser wurden eingestampft, aber im Großen und Ganzen ist mein altes Viertel noch da. Und ich hab ganz selbstständig zur Autobahn zurück gefunden, wo ich auf auf dem Weg noch gezeigt hab, wo die Rodelbahn war und wo ein Drache, den ich ein Wochenende lang mit meinem Papa gebastelt hatte, nach zehn Minuten schönstem Freiflug in einer Stromleitung landete… und ich damals dachte, man könne ihn noch retten… Nach all meinem Erinnerungsgebrabbel hat mein Freund auf der Fahrt die Augen zu gemacht. War vielleicht doch TMI für ihn…
Jena
Nächster Zwischenstop war meine Uni-Stadt, in der ich 5 Jahre lang gelebt hab. Naja, gelebt ja, gewohnt habe ich in einem Kaff vor den Toren der Stadt, genauer vor den Toren Lobedas, noch genauer vor den Toren von typisch Ossi-Blockbauten.
Kaum angekommen, hatte sich der Regen wieder verzogen und die Schwüle machte sich breit. Innerhalb von einer guten Stunde habe ich meinem Freund alles für mich wichtige gezeigt: Die Uni am Ernst-Abbe-Platz, wo ich unzählige Stunden in den Hörsälen, Seminarräumen und der Caféteria verbracht habe, wo es auf dem Platz noch immer die absolut hässlichen Schrottfiguren gibt, inkl. dem kleinen Schrott, unserem beliebter Treffpunkt bei Wind und Wetter, der ganz traurig und verlassen in der Ecke stand.
Es ging durch die kleine Gasse vorbei an der Rettungsstation, dem kleinen Coffeeshop, der wesentlich besseren Kaffee hatte als die olle WMF-Maschine in der Caféteria…, und direkt zur Wagnergasse. Das ist die Ausgehmeile Jenas, mit mehreren Cafés und Bistros – und dem allerbesten Pub der Welt mit 100 Whiskysorten. Hier habe ich meine Liebe zu Scotch Single Malts entdeckt. Die Karte haben wir Mädels nie ganz geschafft, ich bin immer noch dabei, sie „durchzutesten“. Wir sind die kleine Kopfsteinpflastergasse entlang gelaufen und an der katholischen Kirche vorbei auf den Johannesfriedhof. Das war meine Bib, weil ich hier immer in meinen Freistunden gelernt hab, keine 5 Minuten vom Trubel der Uni weg war hier einfach nur Ruhe. Genial.
Danach ging’s in Richtung Philo-Mensa, weil es kurz davor rechts einen schmalen Fußweg und eine Treppe runter zum Planetarium geht. Oberhalb entlang des botanischen Gartens, der im Spätsommer nicht mehr ganz so schick aussieht. Aber das Coole an dem versteckten Weg ist, dass wir direkt im Damenviertel rausgekommen sind. Da gibt es fast nur alte Villen im Jugendstil, alle schön hergerichtet und saniert. Da kann man kreuz und quer durch die Straßen laufen und entdeckt überall wunderschöne, majestätische Häuserfassaden aus dem alten Jahrhundert.
Danach sind wir an und in der ThULB vorbei (der Bibliothek, die aber gerade umgebaut wurde) und für mich schien sich rein gar nichts geändert zu haben: Unten an den Schließfächern verstauten die Studenten brav ihre Taschen und gingen mit einem Stapel an Blöcken und Laptop in die Bib. Es herrschte diese bedächtige Stille mit einem leichten Rauschen vom Gemurmel. Wie damals, als ich meine Literatur für Hausarbeiten oder die letzten Prüfungen zusammenkopierte. Letzter Stopp der Uni war das historische UHG (Universitätshauptgebäude), ein altes Schloss vom Anfang des 20. Jahrhunderts, das damals als Uni eingerichtet wurde, glaube ich. Auch wenn es symmetrisch aussieht, so sind seine Gänge das reinste Labyrinth. Man kam immer nur auf einem Weg zu einem Hörsaal und zurück, nichts mit Abkürzen oder so. Anfangs habe ich mich in dem Ding immer verlaufen, die blöden Etagenpläne helfen da auch nix. Egal. Die Einrichtung war zu meiner Zeit auch noch die von 1910: Wackelige Holzbänke mit Klappsitzen und quietschenden, viel zu kleinen Schreibplatten zum Hochklappen. Ich weiß heute noch, wie sehr die Dinger gewackelt haben, wenn man irgendwas geschrieben hat. Egal, dann ging es am Lieblingsvietnamesenobststand eine schmale Gasse in der Altstadt durch rauf zum Marktplatz, eingerahmt von bunten, teils historischen Häusern, mit dem Hanfried mitten auf dem Platz. Der Hanfried ist quasi die Abkürzung für Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen, der 1547 die Uni Jena gegründet hat. Er ist auch im Unilogo, nicht der Friedrich Schiller, nachdem die Uni dann mal benannt wurde, nur weil er nicht mal ein Jahr an der Uni unterrichtet hat…. Nach einem Abstecher über den Holzmarkt sind wir dann noch die andere kleine „Ausgehmeile“ Jenas entlang geschlendert.
Der Johannesgasse mit kleinen Cafés und dem Rosenkeller, kurz der Rose. In dem Keller waren wir fast jeden Samstag zum Abzappeln, da gab’s Alternative Music mit Wunscherfüllung. Zu guter Letzt sind wir noch einigen mittelalterlichen Überresten der Stadtmauer, dem Johannestor und dem Pulverturm vorbei gelaufen. NIEMALS durch das Johannestor gehen, never ever! Das gibt Unglück. Warum? Keine Ahnung, aber jeder in Jena weiß, dass es nichts Gutes bringt. Schön außenrum laufen, ne? Und die besten lecker Pommes gibbet in der Fritz Mitte, direkt am Platz vorm Eingang der Wagnergasse. Da ist so n kioskähnliches Häuschen und da gibt’s die Pommes, mit zig lecker Sößchen zur Auswahl. Kleine Portion, 1,80 €. Gönnt man sich mal. Finde ich.
Nach der Stärkung ging es in das keine 20 Autominuten entfernte Weimar.