Nach dem Städtetrip nach Florenz am Vortag ging es heute so mittenrein in die toskanische Pampa, aber auch so mittenrein in zwei typische Touristenstädtchen, in denen es im Hochsommer nur so von Besucherströmen wimmelt… dachten wir zumindest. Der Reiseführer lobte beide Orte als alte Städtchen mit Tradition, viel Geschichte und engen Gassen mit Tavernen und lokalen Läden. Ja, schön und gut. Beim obligatorischen Sonnenterrassenfrühstück haben Lukas und ich uns kurz besprochen, wie wir das heute angehen wollten: Erst Volterra, weil weiter weg und weil ich mich nicht mehr daran erinnern konnte (laut meinen Eltern waren wir damals, als ich 10 war, dort…) und dann nach San Gimignano, dem Manhattan der Toskana. Aber erst mal zu Volterra…
Gut, losgefahren, über die Landstrasse, die wir vor zwei Tagen schon ans Meer gefahren sind, vorbei an den gleichen Feldern, Wiesen, Höfen, Dörfchen. Und es war immer noch wunderschön unter der strahlenden Sonne Italiens. Von Weitem sieht man Volterra auf einem grösseren Hügel in der gelb-braunen Landschaft thronen, mit seinen braunen Türmen und der prägnanten Stadtmauer. Die Auffahrt war nach wie vor eng, einige Touristen haben die Parkplätze weiter unten im Ort genutzt, aber wir waren faul und sind bis an die Stadtmauergrenze gefahren. Dort gibt es ein einziges, sehr sehr begehrtes Parkhaus (namens Parcheggio San Felice), in das wir mit etwas Warten auch reingekommen sind. Aber Parken ist da vielleicht scheisse, weil alles sehr eng ist und die Parkplatzsuche an eine Ostereiersuche erinnert. Und manche Autofahrer parken auch nicht wirklich schlau da und versperren die Durchfahrten. Das Parkhaus hat seinen Namen nicht umsonst: Heiliger Felix, der Glückliche… Egal, wir hatten Glück und einen Platz gefunden und kaum sind wir aus dem Parkhaus gekommen, eröffnete sich auf der anderen Seite, an der Stadtmauer die gelben Weiten der Toskana – ein traumhaftes Panorama durch die Pinien über die Landschaft um Volterra.
An sich ist Volterra ein verschlafenes Nest, ok, wir waren auch zur Siesta-Zeit da, und deswegen war der Ort nur von Touristen bevölkert. Einzige Ausnahme war der Marktplatz vorm Rathaus (zu erkennen an einem der beiden hohen Türme), da gab es eine Hochzeitsgesellschaft, die an einer langen Tafel sass. Aber der Reihe nach. Der Grund für Touristen: Volterra war und ist bekannt für seinen Alabasta. Sieht aus wie Marmor, ist aber etwas leichter, und trotzdem teuer. Die zig Lädchen und Werkstätten bieten Figuren, Schmuck, Lampen und Dekokrempelgedöhns in allen Varianten aus Alabasta an, und ich meine wirklich, in a-l-l-e-n Varianten und Grössen. Ich fand es recht kitschig, aber is ja Geschmackssache.
Also zurück zu Volterras Verschlafenheit. Die kleine Stadt hat echt wunderschöne Ecken mit typischen Motiven für Postkarten aus der Toskana. Hier gab es ein kleines Kreuz-und-Quer von engen Gassen, gesäumt von alten, hohen Häusern. Alles in braun-gelben-roten Farben, rustikal, mit abbröckelnden Putz, mit kleinen Ristorante, die mit rot-weiss-karierten Stofftischdecken auf den Terrassen zum Verweilen einluden, mit Blumenkübeln vor Türen und bunter Wäsche, die an kleinen Wäscheleinen unter den Fensterbrettern im lauen Sommerwind wehte, mit Holzfensterläden, von denen auch der farbige Lack abblätterte. Die Häuser waren hier so hoch bzw. die Kopfsteinpflastergassen so eng, dass die Sonne kaum auf den Boden kam. Bei 30 Grad in der Sonne war das wirklich angenehm.
Sehenswert ist auf jeden Fall das burgartige Palazzo dei Priori, der Kommunalpalast im venezianischen Stil mit seinem hohen Turm und der gleichnamige Platz davor. Laut Reiseführer ist dieser Palazzo aus dem 13. Jh. der älteste seiner Art in der Toscana. Und genau vor diesem Palazzo sass die Hochzeitsgesellschaft unter weissen Schirmen. Trotz der neugierigen Touristen um sie herum hatten die Feiernden ihren Spass und liessen sich nicht stören, auch nicht als der laue Wind mit dem Schleier der Braut spielte.
Von der Piazza dei Priori haben wir uns einfach so treiben lassen, querbeet und so, haben teils versucht, den anderen Touris aus dem Weg zu gehen. Dabei entdeckt man echt ruhige Gassen, man hört italienisches Fernsehen durch die offenen Fenster, das Klappern aus der Küche und eine Diskussionen auf Italienisch – wie an einem ruhigen Sonntag. Volterra hat noch einen anderen Stadtpalast, den Palazzo Incontri Viti. Die Kasse zum Museum befindet sich im ersten Stock, also konnten wir ruhig das imposante Treppenhaus hochgehen und die chinesischen Wandtafeln und das Porzellan bewundern. Der Eintritt betrug 8 Euro, aber wir wollten bei dem Wetter die Zeit nicht in einem Museum verbringen. Also wieder raus und rein in die engen Gassen der alten Stadt.
Volterra ist eine der ältesten Städte der Toskana. Einst siedelten hier die Etrusker. Das erkennt man leicht am Amphitheater mit Museum und Ausgrabungsstätte aussen herum. Der Ausblick von oben auf das Amphitheater auf die hügelige Landschaft der Toskana ist einfach phänomenal.
Genau gegenüber des Ausblicks gibt es noch ein kleines, ruhiges Pub namens Quo Vadis mit einer urgemütlich, begrünten Terrasse und kleinen Tischchen. Da wir etwas Hunger hatten, haben wir uns hier zwei kleine Pizzen gegönnt. Ungewöhnliche Kombinationen (Birne, Schinken, Ziegenkäse), sehr lecker und wirklich fast romantische Atmosphäre. Danach sind wir weiter durch die kleinen Gassen und zurück zum Auto und auf zur nächsten Stadt mitten in der Toscana…