Costa Verde – das wilde Sardinien

Nach dem Strandtag von gestern, hatten wir heute beschlossen, uns mal mehr von der Insel anzusehen und früher loszufahren. Kurz nach 10 ging erst schön 2 Stunden erst gen Norden, dann gen Westen an die Costa Verde (die grüne Küste). Sobald wir den Industriebereich bei Cagliari hinter uns gelassen hatten, ging es in das vielseitige Hinterland des Westens durch kleine Ortschaften mit rustikalen Bauernhäusern, deren Putz teils bröckelte, durch weite Olivenhaine, die von hohen Bergen umrandet waren, und diese Berge wurden immer grüner gen Westen. Gespickt war diese Landschaft mit gelben Grasebenen, Kaktus- und Eukalyptushainen, Pinien, und hohen Kiefern. 

Der Weg gen Westen führt an einer ganz besonderen Sehenswürdigkeit Sardiniens vorbei, die man auf der Bade- und Hirteninsel nicht so vermutet hätte. Nachdem wir idyllisch durch Graslandschaften mit verlassenen Steinhüttchen düsten, tauchte mitten in den grünen Bergen auf einmal ein mintgrüner Förderturm auf. Je näher wir kamen, desto mehr wurde sichtbar: Vor uns lag eine riesige Geistermine – Die Mine von Montevecchio. 

Die wurde Anfang des 20. Jh. stillgelegt und gehört heute zum Unesco Weltkulturerbe gehört. Was uns so faszinierte, war die Grösse und die verschiedenen Farben der verlassenen Gebäude auf dem grossen Gelände, die von dem Förderturm überthront wurden. Die Strasse schlängelte sich links an der Mine vorbei den Berg hoch und gab ein Bild auf die alten Gebäude und Hallen frei. Hier kam etwas Ruhrpottfeeling auf, was meinen Mann sehr freute. Die Mine darf man nur mit Ticket betreten, und die Tickets gibt es in dem ehemaligen Minenort Montevecchio auf der Bergspitze, gute 2km von der Mine entfernt. Hier gab es noch ein paar sehr herrschaftliche Villen, die an die alten Zeiten erinnerten, aber sonst wirkte der Ort mitten in einem Pinienhain mit seinen wenigen Häusern sehr dunkel und verlassen.

Kaum hatten wir den Pinienwald verlassen, waren wir wie auf einer anderen Seite der Insel: von der Bergen umrandeten Gras- und Felderebene führte die Strasse durch eine saftig grüne Hügellandschaft, weit und breit nur Büsche. Wir hatten das Gefühl, nicht auf einer Insel, sondern eher auf dem Festland zu sein. Die (einzige) Strasse durch die Hügel war so breit wie unser Auto, der Verkehr hielt sich in Grenzen, also war nicht vorhanden.

So schnurpsten wir durch die Kurven und bewunderten die weite Aussicht über das Grün, das unter dem blauen Himmel mit seinen Schäfchenwolken leuchtete. Jetzt wussten wir auch, warum die Seite der Insel Costa Verde – also grüne Küste – heisst. Wir fuhren weiter gen Westen, die Strasse schlängelte sich am Rand der Hügel entlang und führte langsam nach unten. Ab und zu konnten wir das tiefe Blau der See durch die Berge lugen sehen. 

Als wir unten an der Küstenstrasse ankamen, landeten wir in einem sehr ruhigen Örtchen, das noch zu schlafen schien. Wir haben auf einem riesigen Parkplatz mit Strandlokal angehalten und sind direkt an den erst besten Strand namens Spiaggia della Marina di Gutturu ’e Flumini (ganz leicht zu merken also). Das Rauschen der Wellen war schon auf dem kurzen Weg zu hören, aber einmal an dem weiten Sandstrand angekommen, habe ich mich sofort pudelwohl gefühlt: Vor uns brachen sich die tieftürkisblauen Wellen mit einer weissen Pracht am ockerfarbenen Strand, der Wind flog uns um die Ohren, Salz lag in der Luft und die Gischt brachte feine Salztröpfchen auf unsere Haut. Die Farben erinnerten uns an O’ahu.

Der Strand hatte eine wunderschöne, natürliche Belassenheit, eine raue und unbefangene Wildheit. Es war einfach ein wunderbares Bild und ich hätte den Wellen den ganzen Tag zuhören und zuschauen können. Es rauschte so laut, dass wir uns fast anschreien mussten. Einfach herrlich. Und der Wind, die Sonne und das Wasser. Und kaum einer unterwegs. An Baden war allerdings nicht zu denken: Bei 2-3m hohen Wellen und starker Strömung war die rote Flagge oben und die Rettungsschwimmer aufmerksam. Das höchste der Gefühle war mit den Füssen ins Wasser zu gehen, aber selbst da spitzten die Rettungsschwimmer die Ohren.

Uns war dann klar, dass wir uns heute nicht in die Fluten des Meeres stürzen würden, aber zurückfahren mussten wir so oder so. Also sind wir auf der Suche nach einem evtl. Nicht ganz so windigen Strand gen Süden gefahren. Unser Ziel war der Spiaggia di Piscine.

Gut, laut Google Maps führte eh nur eine kleine weisse Strasse auf der Karten gen Süden, und der sind wir brav gefolgt. Naja, bis die Strasse links ins Landesinnere einbog, weg von der Küste. Dann wurde die geteerte Strasse plötzlich zu einer unbefestigte Sandschotterstrasse, aber gut, das kannten wir ja aus Italien und liess uns nicht erschüttern. Wir fuhren den kleinen Hügel weiter – abwärts. Bis wir dann an vor einem kleinen Fluss mit rutschigen Steinen standen, der unseren Weg kreuzte.

Ja schöner Mist, und was nun? Umkehren? Kaum hatten wir daran gedacht, stand der nächste Tourist mit seinem Auto hinter uns, und kurz danach der dritte. Während wir – Lukas – also überlegten, wie wir weiterfahren, drehte einer der Gestrandeten um, zwei Gelände- und zwei Kleinwagen fuhren ohne zu zögern durch das flache Nass. 

Also sind wir dann auch durch – und es war gar nicht mal so schlimm. Schlimmer war, dass uns bei unserer vorsichtigen Flussüberquerung ein kleiner Lastwagen mit Holzfuhre gelassen überholte und die Insassen uns anschauten, als ob wir wieder mal so komische Touris wären, die da durchfahren. Na jedenfalls waren wir froh, dass wir durch sind, sonst hätten wir nen sehr langen Rückweg gehabt. Auf der anderen Seite führte die Sandpiste kurvig bergauf, bis wir an den nächsten Bach kamen, der quer in unseren Weg kam. Läuft. Half ja alles nix, zurückfahren an der Stelle war jetzt gar keine Option mehr, also sind wir wieder durch. Dieses Mal war der Bach etwas tiefer, aber an sich kein Problem. Das war ein etwas anderes. 

Hatte ich schon erwähnt, dass unser Benzin knapp wurde? Die nächste Tanke war laut GoogleMaps ca. 25 km weg, unser Tank sollte bis dahin locker reichen. Ich weiss nicht, ob das Auto den Benzinverbrauch der sardischen Hügellandschaft angepasst hatte… Nun ja, wir sind dann nach einigen Minuten des Überlegens mitten auf der Sandstrasse – der einzigen Zufahrt zum Strand (sehr zur „Freude“ der Einheimischen) – doch durch die Dünenhügel zum Spiaggia di Piscine und haben es Tropfen Benzin bereut. 

Sobald sich die buschigen Dünen öffneten, lag vor uns eine kilometerlange unberührte Sanddünenlandschaft: ein breiter, feiner Sandstrand, leicht orangefarbenen Klippen mit grünen Tupfern und davor das brausend, tosende Meer, mit weisser Gischt und türkisgrünblauem Wasser. Die Wellen brachen sich mit einem rauschenden Donnern, jede ein einzigartiges Meisterwerk, der Blick gen Süden oder Norden zeigte einfach unglaubliche Postkartenmotive, so so schön.

Der Wind zog wie Hechtsuppe, die Sonne brannte. Ich war mutig mit den Füssen im Wasser, das  etwas kühler war als in Chia, aber nicht kalt. Aber Badengehen war auch hier nicht erlaubt, weil die 2-3m hohen Wellen einen Megasog hatten. Die Rettungsschwimmer kamen regelmässig und schickten die Leute, die bis zur Hüfte im Wasser waren, wieder raus.

Ich hätte da ewig verbringen können, und diese tosende, wunderbare Wildheit geniessen können. Auch wenn der Parkplatz (€5 pro Tag) sehr voll war, haben sich die Touristen verlaufen, so dass es nicht voll war und man von überall das Naturschauspiel bewundern und belauschen konnte.

Aber weil die Rückfahrt nach Pula von hier gut 3 Stunden betrug und wir noch Benzin brauchten, sind wir dann die Sandbuckelpiste durch die Dünen zurück zur nächsten Tanke – 15km entfernt in Arbus. Die Fahrt bis dahin fühlte sich eher nach 30km an, aber die Landschaft mit der Nachmittagssonne hat das wieder wett gemacht. 

Auf unserem Weg sind wir an einer weiteren verfallenen Mine vorbei gekommen, die unterhalb vom Dorf Ingortuso lag. Auch wenn hier und da ein Absperrzaun oder ein Warnschild zur Einsturzgefahr zu finden ist, kann man auf eigene Gefahr sich die Anlage anschauen. Aber Obacht, die Ruine ist untertunnelt. Daher haben wir uns die Ruine aus dem 19. Jh. nur vom kleinen Schotterparkplatz angeschaut und das reicht auch schon.

Das Licht der Spätnachmittagssonne liess das Riesenteil mit seinen klassizistischen Elementen und treppenartigem verfallenen Innenleben golden schimmern und verlieh im so einen romantischen Industrieschick. Um die Ruine herum und weiter die Strasse rauf standen verfallene Häuser, die auch zur Mine gehörten und an die Zeiten erinnerten, als hier noch reger Betrieb herrschte.

Das Dorf Ingortorsu selbst war recht niedlich, bestand nur aus vereinzelten Häusern, die sich eng an die Kurvenstrasse und an den steilen Hang pressten. Einige davon waren sehr schön hergerichtet, wie zum Beispiel herrschaftliche Villen im römischen Stil.

Alle Häuser blickten in das weite grüne Tal, das bis zum blauen Meer reicht und wo man auch die gelben Sanddünen und teils Überreste der alten Mine sehen konnte. Dazu die untergehende Sonne, der Strahlen uns direkt entgegen kamen. Zauberhaft. Im Licht der Abendsonne sind wir durch die hügelige Landschaft der südwestlichen Seite Sardiniens gekurvt – bis nach Arbus: hier gab es zwei Tankstellen, wir waren gerettet. 

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