Auf Anraten der supernetten Kellnerin aus dem Restaurant in Baton Rouge sind wir mitten durch die Pampa von Louisiana in das süsse Örtchen, ok, Dörfchen namens St. Francisville gefahren. Die Kellnerin meinte, hier gäbe es tolle historische Häuser und eine Gruselplantage. Ey, und in St Francisville wird das amerikanische Klischee einer typischen Kleinstadt so was von erfüllt worden. So süss hier. Überall hübsche kleine Einfamilienhäuschen mit weissem Zaun um den gepflegten Garten und zwischen grossen buschig grünen Bäumen, die halt mindestens so alt waren wie die Häuschen selbst, wenn nicht sogar älter – Picket Fence lässt grüssen. Die Strassen waren so breit und so leer, dass man hätte glauben können, es wäre Sonntagmorgen gewesen.
Wir sind erst mal zur Touri-Info gefahren, ja die haben hier so was. Und ganz ehrlich, die haben hier wirklich gute Infos gegeben. Die nette, ältere Dame hat uns herzlich begrüsst (gut, wir waren die ersten Touris aus Europa seit ein paar Wochen) und gleich mit Stadtplan und Rundgangsbroschüre (in Englisch, Französisch und Deutsch) ausgestattet. Wir sind dann durch den Historic District, das „historische Viertel“ gelaufen, kurz: das ist eine Seitenstrasse, die von der Hauptstrasse abzweigt und in einer Kurve wieder auf die Hauptstrasse führt. In dieser Seitenstrasse stand ein historisches Häuschen mit weissem Zaun nach dem anderen, so süss und schnuckelig, dass man fast versucht war, die Telefonnummer auf dem „Zu Verkaufen“-Schild anzurufen. Es waren klassische Holzhäuschen mit Veranda, Säulen und, teils gusseisernen, Balkone, mit Vorgarten und Garten hinterm Haus, mit blühenden Büschen und grossen Bäumen.
Einfach nur herzallerliebst. In der Strasse gab es einen Shop, der einzige Touri-Shop in dem Ort, vor dem die Touri-Busse ihre Reisenden ausspucken. Der Laden hiess Grandma’s Buttons, und war untergebracht in einem roten Backsteinhaus, ehemals eine Bank, und da werden Knöpfe zu elegantem Schmuck verarbeitet und zu ordentlich gesalzenen Preisen verkauft. Zudem gab’s noch allerlei schickere Deko-Artikel, hat was von einem Mädchenladen mit dem Motto „Hier gibt’s echt coole Sachen, aber brauch ich das wirklich?“. Nachdem ich ein paar Postkarten gekauft hatte, sind wir die Strasse weiter durch die schwüle Sommerhitze geschlendert, ich mit Stadtplan und Lukas mit der Kamera. Schliesslich sind wir auf der Hauptstrasse rausgekommen und haben noch einen Zwischenstopp auf dem alten Friedhof der Grace Church gemacht.
Alter, hier war es so was von schön: Ähnlich wie in Tallahassee und Apalachicola, aber uriger und romantischer. Die grauen, verwitterten, teils mit gelb-mintgrünem Moos bedeckten Grabsteine aus dem 19. Jahrhundert umringten die neugothische Kirche, die grossen Bäume streckten ihre knochrigen, langen Äste über den Gräbern aus, die grünen Blätter raschelten im lauen Lüftchen, das spanische Moos weht wie ein buschiger Schleier im Sommerwind und die Sonne warf warme, leuchtende Flecken auf die Gräber.
Die Stimmung hier war einmalig, märchenhaft, heimelig, und friedlich ruhig – bis die Umbauarbeiten in der Kirche nach der Mittagspause weitergingen. Wir sind dann langsam zu unserem Auto zurück, nach einer guten Stunde historische Stadtbesichtigung waren wir wieder da. Wer nicht so viel Zeit hat, kann das auch in 5 min mit dem Auto abfahren. Ich fand den Spaziergang aber echt schön, man ist hier halt mitten in Amerika, wo es hauptsächlich US-Touris gibt und Europäer sich weniger hinverirren.
Es war jetzt Mittagszeit, also Lunchtime. Also sind wir in das Magnolia Café, eins von drei Lokalen im Ort. Das Magnolia Café liegt etwas versteckt im Hintergrund eines grösseren Parkplatzes neben der Post, die auch nicht als solche auffällt. Aber einfach dem Schild und den Autos folgen. Und auch nicht von der unscheinbaren Hütte mit der volierenartigen Veranda irritieren lassen, denn da müsst ihr hin. Einmal drinnen, herrschte da rege Mittagszeit und wir haben gerade noch den letzten freien Tisch bekommen. Es wirkte hier alles wie in Omas Gartenhütte, orangefarbene Wände und dunkelgrüne Tischdecken unter Glasplatten. Das Essen ist hier einfach, gut bürgerlich, aber sehr lecker und absolut zu empfehlen, vor allem wenn man die Local Cuisine geniessen und Leute beobachten will.
Nach der Stärkung fuhren wir ca. 20 min weiter und zwar zu unserer ersten Plantage in den Südstaaten. Seit ich den Film „The Skeleton Key“ gesehen habe, wollte ich immer in die Bayous und in eine dieser alten Villen, um die herum grosse, knochige Bäumen ihre Äste ausstreckten und von denen Spanisches Moos wie Spinnweben herunter hängt. Tja, und wir haben uns als erstes The Myrtles Plantation gegeben – One of the most hunted homes in the US. Kurz: Eins der Häuser in den USA, in denen es am meisten spukt. YEAH. Als wir durch das Tor gefahren und unter den hohen Bäumen die geschlängelte Strasse zur Plantage hoch gefahren sind, hatte ich schon Gänsehaut, vor Vorfreude.
Was uns erwartete, haben wir nicht wirklich gewusst. Die Kellnerin vom Vortag meinte nur, die erzählen da Gruselgeschichten. Joa, also rein in den Touri-Shop und für $15 eine Tour (45 min) gebucht, die jede halbe Stunde von 9 Uhr bis 16.30 Uhr angeboten wird. Wir hatten Glück, denn bei unserer Tour waren wir nur zu zweit mit dem Tour-Guide, der aussah wie 16, aber evtl. doch schon über 20 war. Ich mag jetzt nicht all zu viel verraten, aber wer auf Grusel, Spuk und Horrorgeschichten steht, der sollte da unbedingt hin! Es gibt auf der Myrtels Plantation mehrere Geister, u.a. die Sklavin Chloe mit einem Ohr. Die Geschichten drehen sich um Mord, Totschlag, Voodoo, Verstümmelungen und seltsame Geräusche und Veränderungen an den Möbeln. Unser Guide hat das echt super gemacht und die Geschichte der Plantage gut mit den Gruselgeschichten verwoben. Er sagte ständig „I promise“ („Ich schwör, das war so…“), um die Geschichten glaubhafter zu machen. Und ja, mich hat es voll gepackt. Ich weiss nicht, wie sie es geschafft haben, aber man konnte Chloes Handabdruck sehen und ich hab mich im Lady’s Salon seltsam gefühlt, ich hatte so ein komisches Kribbeln im Bauch. Das scheinen auch all die Geisterjäger und Medien gespürt zu haben.
Es sollen schon zig solcher Leute die Myrtles Plantation besucht haben und alle hatten seltsame Erlebnisse. Ich hab mich furchtbar gern gegruselt und hab eine Geschichte nach der anderen aufgesaugt und viele Fotos gemacht. Lukas hat den Spuk-Geister-Modus etwas belächelt, weil er nicht daran glaubt. Aber in einem meiner Handyfotos konnte er sich den einen weissen Schatten nicht erklären: Es könnte die Treppe sein, aber die Treppe war nicht so schmal…
Und für diejenigen, die sich die volle Dröhnung Grusel geben wollen, die können auf der Myrtles Plantage übernachten. Entweder in einer der Sklavenhütten am See oder im Haupthaus, in dem das meiste Unglück passierte… muahaha.
Nach all der Aufregung brauchten wir etwas Ruhiges. Na, nicht wirklich, aber Lukas hatte in der Touri-Info noch etwas von den Clara Creek Falls (Wasserfälle) gelesen. Die Landstrasse führte quer durch die Pampa Louisianas an Farmen mit einfachen Blechhütten vorbei oder an den RV-Homes, den alten Wohnmobilen, die als Haus dienen und eher heruntergewirtschaftet aussahen. Zudem lag hier und da noch das eine oder andere tote (Gürtel-)Tier am Rand oder Kühe und Esel grasten in aller Ruhe auf Weiden.
Irgendwann war die geteerte Landstrasse zu Ende, also sie endete in einer ungefestigten Sandstrasse und links davon gab es einen kleinen Wanderparkplatz mit einem Toilettenhäuschen von anno dazumal und etwas Infos. Achja, Parkgebühren durfte man auch bezahlen, da am Ende der Strasse irgendwo im Nirgendwo von Louisiana: einen Parkausweis mit integriertem Umschlag hinter die Frontscheibe legen und nach dem Besuch einen kleinen Beitrag in den Umschlag tun und den Umschlag in eine Art Briefkasten werfen. Diese Ausweise lagen am Klohäuschen rum. Aber einige Besucher schienen das wirklich gemacht zu haben. Nun gut. In weiser Voraussicht, wie man amerikanische Distanzen wirklich einzuschätzen hat (immer das Doppelte rechnen, egal ob Zeit oder Kilometer), haben wir uns in die Natur auf die Suche nach den Wasserfällen gewagt. Der sandig-steinige Weg führte in den Wald und dann den Hang runter – erst leicht und dann steil, so dass man nur über Holztreppen, in denen Teils die Planken fehlten, steigen konnte.
Das Schöne war, dass diese sandigen Wanderwege auf den alten Wegen der Indiana verliefen und daher doch irgendwas Romantisches hatten. Bis wir nach 30 min durch staubige, schwülwarme Waldpampa Stapfen unten ankamen und doch wieder auf der anderen Seite rauf mussten.
Leuts, ich hab vielleicht geflucht, ich wär am liebsten wieder zum Auto und war auch kurz davor, einfach dort auf Lukas zu warten, der schon vor lief. Das Ende vom Lied: Ich bin da wütend hochgekrakselt, hab geflucht wie ein Rohrspatz, und bin dann dem leichten Plätschern nach. Ja gut, Lukas war schon vor mir an den Clara Creek Falls – wir standen vor einem Wasserfall mit drei Rinnsälen… düdümm. 30 min Rumgestapfe auf alten Indianerwegen in einem lichten Wald, um am Ende dann das zu fotografieren:
Nach ein paar Fotos sind wir wieder zurück zum Auto und irgendwie kamen mir die grossen Hundehaufen am Wegesrand schon seltsam vor. Zudem hat noch irgendwas im Wald gebellt, aber wir haben nicht einen Hund bei den Wanderern gesehen. Ich hatte ein mulmiges Gefühl und war froh, als wir wieder im Auto richtig Fernstrasse sassen. Diese Hundehaufen sahen doch irgendwie aus wie Bärenhaufen…
Wieder einmal sehr schön kommentiert!
Faszinierend wäre für mich auf der Myrtles Plantage zu übernachten, aber Papa würde bestimmt kneifen…
😂👻😱