Die Amis an sich

Also ich muss sagen, dass man ja echt Vieles über Amis hört oder durch diverse Filme ein gewisses Klischee vermittelt bekommt: Fast-Food-Esser am Drive Thru, Übergewichtige in schlecht sitzenden und modisch unpassenden Klamotten und Turnschuhen, mit Kaugummi-Slang, oder aber gertenschlank in den Maßen und der Optik von Barbie und Ken, in roten Badeklamotten, durchtrainiert, am Dauerjoggen, weltignorant, aber sonst fußfaul, weil permanenter Autofahrer, und sind die Amis immer auf gute Laune getrimmt wie im Dauerabo.

Äh, ja, so oder so ähnlich ist es – NICHT! Ehrlich gesagt, kannte ich bisher nur die Amis, die nach Europa gekommen sind, die ja eh irgendwie anders sind, weil sie ja wissen, dass Europa noch existiert. 😉 *Spaahaaß*

Aber die Amis in ihrem Heimatland sind einfach nur ein sehr freundliches Völkchen, offen, herzlich und hilfsbereit gegenüber Mitmenschen, egal ob Amis oder Fremden. Auf dem Hollywood Walk of Fame quatschen sie jeden in seiner Muttersprache an, klar, um die Touris zu einem Geschäftchen zu bewegen, aber sie reagieren nicht prollig oder beleidigend, wenn man „nein“ sagt. Natürlich haben die Amerikaner bei Dienstleistungen immer gute Laune, sei es im Touribus durch die Hills, beim Autoverleih, in den Universal Studios, im Schuhladen, auf der Alcatraz-Ferry, in Hotels, ach was weiß ich, wo, überall. Das mag für uns Europäer ungewohnt wirken, deswegen trauen wir dem Braten vielleicht nicht so ganz. Aber bei den Amis gehört das einfach zum guten Ton.

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Selbst der Straßenbahnfahrer in San Francisco hat seine gute Laune mitgeteilt, weil er die Haltestellennamen angepriesen hat wie Billigangebote auf’m Markt. Man kann diese gute Laune auch „enthusiastisch“ nennen, weil die Amis nichts ohne Enthusiasmus oder auch einer Prise Euphorie machen. OK, außer die Jugend auf dem Land, die mitten in der Nacht noch Fritten im Burgerladen verkaufen und es nicht gewohnt sind, dass Touris erstmal die Karte studieren müssen. Da hält sich die Begeisterung in Grenzen… Aber die Amis machen keine halben Sachen, entweder ganz oder gar nicht, und dann wollen sie auch noch die Besten sein. Überall spürt man diesen Wettbewerbscharakter, das fängt beim Sport an und geht bis hin zu Geschäften, Restaurants, Hotels… ach egal, ihr merkt das schon, wenn ihr da ne Weile unterwegs seid.

Was uns auch aufgefallen ist, dass Amis sehr gern übertreiben, was auch mit diesem Wettbewerbsdenken zu tun hat: Alles muss höher, größer, schneller, fetter, breiter, zahlreicher vorhanden sein, oder noch besser gebaut werden. Das Empire State Building wurde nicht umsonst in einem Jahr hoch gezogen und war nicht umsonst 40 Jahre lang das höchste Gebäude der Welt. Las Vegas ist ein einziges Meer an riesigen Hotels mit unendlich vielen Zimmer. Dazu wollten die Amis zeigen, dass auch sie Europa können und haben da mal Rom, Paris und Venedig so ziemlich komplett und fett und in falschen Maßstäben nachgebaut, aber hey, wer’s hat!

Strip NY NY MGM

Selbst die normale Familienkutsche ist eine Großlimousine für den normalen Europäer. Ein Wohnmobil hat die Größe von einem europäischen Schulbus, und da passt sogar eine ganze Schulklasse locker rein! Sitzend und Beine baumelnd! Klar gibt’s auch Smarts und Fiat 500s und Toyota Yaris’, aber die sind eher selten. Das Ganze geht auch weiter bei Supermärkten, Shopping Centern, die Museen, gefüllt mit der Kunst von halb Europa, die Stadtparks, selbst die einzelnen Essensportionen, alles ist einfach mal größer! Die Amis machen das, weil sie es eben können! Da fragt keiner nach dem Nutzen! Deswegen gibt’s ja in Las Vegas in jedem großen Hotel ein fettes Shopping Center, in dem man sich verläuft, das alle Haute Couture Designer beherbergt. Amis können es ganz einfach! So ist das nämlich!

In New York haben wir erst richtig gemerkt, dass die Amis auch gern zeigen, dass sie telefonieren können. Sie haben gern über Headset mit ihren Anrufpartnern lauthals telefoniert: Auf offener Straße, im Supermarkt, in der U-Bahn, egal, wo, Hauptsache man klärt was. Da war es auch egal, dass neben einem an der Ampel zig Leute zu hören können. Die Amis scheinen dann in einer anderen Welt zu sein und ihre eigentliche Umwelt nicht mehr wahrzunehmen. Oder die anderen Amis sind einfach so höflich und hören weg. Tja, ich nicht…

Einmal hat sich mein Freund tierisch über einen Amerikaner aufgeregt. Ich schreibe extra in der Einzahl, weil das eigentlich nur ein Ami gemacht hat. Der hat sich nämlich in der Security-Schlange am Flughafen vorgedrängelt, obwohl mein Freund gerade dabei war, seine Sachen, wie Gürtel, Schuhe, Handgepäck etc., abzugeben Gut, mein Freund war nicht der schnellste und der Vordrängler hatte es wohl mit seinen wenigen Sachen etwas eilig. Aber irgendwie hat es meinen Freund sehr aufgeregt und normal ist er ein eher geduldiger Typ.

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Abgesehen von dieser einen drängeligen Ausnahme kann ich eigentlich nur positiv berichten, dass Amis sich immer schön an implizite Regeln halten. Gibt’s eine Schlange, wird sich brav angestellt, gibt es eine Markierung, wird sich brav dran gehalten, gibt’s ein Hinweisschild, wird dem brav nachgekommen. Also die Amis stellen sich im Coffee Shop an, laufen an Venice Beach auf der Fußgängerseite der Promenade und warten am „Wait here“-Schildchen im Restaurant, um einen Tisch zugewiesen zu bekommen.

Außerdem sind die Amis sehr rücksichtsvolle Autofahrer. Es gibt kein Gedrängel im Stau, keine Raserei an Ampeln, kein unnötiges, genervtes Gehupe oder wilde Gesten beim Überholen, kein dichtes Auffahren bei 110 Sachen oder Vorbeischnibbeln. Nee, die Amis behalten trotz achtspuriger Fahrbahn den Überblick und achten auf andere Autofahrer. OK, sie halten sich nur grob an die vorgeschriebene Geschwindigkeit, aber sonst muss ich sagen, habe ich mich beim ersten Autofahren auf dem Freeway 101 schnell gut aufgehoben gefühlt. In Italien, Frankreich oder Spanien wäre das wohl anders…

Hupen in LA

Abgesehen davon sind Amerikaner absolute Hundeliebhaber. Ich hab selten so viele Hunde in den Städten gesehen. An Venice Beach fahren die Hunde sogar Elektro-Skateboard, auf dem Land lassen die Hunde nur zu gern die Ohren im Fahrtwind wehen und in New York gibt es Tagesstätten, wo Hunde tagsüber betreut werden, während ihre Herrchen und Frauchen das Futter verdienen. Ja gut, es gibt auch diese Hundesitter, die mit einem kleinen Kindergarten von 10 Hunden Gassi gehen. Das sieht sehr witzig aus, weil die Hundesitter die ganzen Leinen der Hundis in einem großen Karabinerhaken sammeln und die Hunde wie eine kleine Traube mit sich führen. Nur in Vegas sitzen Hunde noch nicht an den Spielautomaten.

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Alles in allem kann ich nur Gutes über diese Amerikaner berichten. Aber einige Klischees haben sich auch erfüllt: Amis lieben Sport, Amis holen sich eher ihr Essen am DriveThru als in der Burgerbude, Amis lieben das Strandleben, egal ob joggend, auf dem Fahrrad, Inlinern, Skateboard oder Surfbrett, Amis stehen auf XXL-Getränke und fette deutsche Autos und fahren eher als dass sie laufen. Außerdem gibt ja diese DriveThru-Geldautomaten, da kann man nicht einfach zum stinknormalen Bankautomaten LAUFEN! Da sieht doch keiner das schicke Auto… Man muss ja zeigen, was man so hat.

Also, liebe Amis, ihr seid echt ein tolles Völkchen! Man kann euch einfach nur mögen!

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