Nach meinem Besuch im verzauberten Triberg und seinen Wasserfällen wollte ich nach Gremmelsbach fahren, weil mir eine Bekannte davon erzählt hatte. Da sollte es voll süße Häuser und eine alte Schule geben, herzallerliebst. Ich so, ok, du hast noch Zeit, fährste mal hin. Das Navi hat mir auch gesagt, dass Gremmelsbach ganz in der Nähe ist. Ich hab mich voll gefreut und fuhr los.
Nach zehn Minuten kamen die ersten Zweifel auf, als ich rechts abbiegen sollte, in eine steile Gasse, die so breit wie mein Auto war und sich dabei noch einen Berg hochschlängelte. Gut, es soll ja ein Dorf sein. Aber die Straße zog sich weiter den schattigen Berg rauf, die Häuser wurden immer weniger und Gutshof-artiger. Mein Navi zeigte beharrlich gerade aus. OK, das wird schon wissen, wo es das Ziel ist.
Ja, und dann kam ich in Gremmelsbach an: eine Kirche, ein Rathaus, ein Friedhof und vielleicht zehn Häuser. Schöne Häuser, aber mehr war da auch nicht! Gut, spätestens jetzt wusste ich, dass meine Bekannte wohl ein anderes Dorf gemeint hatte (nämlich Gengenbach). Half alles nicht. Ich hab mein Navi neu ausgerichtet und bin weiter durch das Dorf in den angrenzenden, dunklen Wald gefahren.
Die Straße schlängelte sich über eine schmale Bücke, um einen weiteren Tannenhügel. Unterhalb grasten zwei Pferde auf einer Koppel am Waldesrand. Als ich dann um die nächste Kurve aus dem dunklen Schatten der Tannen fuhr, erstrahlten vor mir zwei riesig große Schwarzwaldhäuser in der Nachmittagssonne: Das linke stand mit der Stirnseite zur mir und leuchtete in einem satten grünen Schindeln regelrecht in der Sonne. Dieses leuchtende Grasgrün stand in einem starken Kontrast zu dem schwarzbraunen, tief heruntergezogenen Dach. Ich war richtig baff und glaubte, ich sei in einer anderen Welt gelandet. Das Nachbarhaus wirkte richtig unscheinbar, klein, weil es eben nur „normal“ weiß war.
Ich fuhr die Straße langsam weiter, sie schlängelte sich um Waldhügel und in ein Tal gen Sonne. Es war echt krass, wie dunkel es an manchen Stellen war, wo die Bäume ihre Schatten warfen. Trotzdem musste ich mich immer wieder zu dem grünen Haus umblicken, bis es eben wegen der Fahrerei nicht mehr ging.
Ein paar hundert Meter weiter fuhr dann noch ein Auto vor mir. Wir kamen nach einer kurzen Weile, die mir gefühlt ewig vorkam, an einem weiteren Hof vorbei, in mitten der Hügel gebettet, im Schatten der Wälder. Ich hab mich immer wieder gefragt: „Scheiße, wo bist du hier gelandet!? Am Arsch der Welt!!“ Trotzdem fand ich es megaspannend und aufregend, weil ich auch neugierig war, wo ich als nächstes vorbei fahre, was hinter der nächsten Kurve auf mich wartet. Mein Abenteuernerv war geweckt und ich war echt froh, dass ich nach Gremmelsbach gefahren bin. Sonst hätte ich diese schöne Ecke des Schwarzwaldes niemals entdeckt.
Am nächsten Bauernhof musste unsere Kolonne langsamer fahren, weil hier ein Hund und ein Hahn in einer Istmirdochegal,dassdaAutoskommen–Manier über die Straße watschelten. Der Hund hielt links von uns an und ließ uns dann nach einem prüfenden Schnuppern passieren. Dann führte die Straße auf einen Hügel, mitten in der Sonne. Laut meinem Navi hätte ich geradeaus fahren sollen, aber da war nur ein Feldweg. Die andere geteerte Straße führte nur zu einem weiteren Bauernhof, das sich dieses Mal in die grüngoldenen Sonnenhügel schmiegte. Und da stand ein Schild „Keine Wendemöglichkeit“. Also blieb mir nur rechts Abbiegen und nach meinem Bauchgefühl zu fahren. Mein Mitfahrer wendete schließlich, so dass ich dann ganz allein durch Waldhaine, schattige Wiesen und Sonnenfelder fuhr.
An einem kleinen Parkplatz hielt ich an und bewunderte das schattige Tal mit seinen Hügeln, aus dem ich gerade gekommen war. Auf der anderen Seite erstreckte sich vor mir die weite Hügellandschaft des Schwarzwaldes im Sonnenlicht. Verdammtes Navi, aber auch gutes Navi. Ich war echt glücklich, dass ich hier mitten im Schwarzwald, gefühlt am Ende der Welt, gelandet bin.
Als ich weiterfuhr, fiel mir auf, dass es hier oben richtige Straßenschilder gab, die an jeder Kreuzung die Straße passend benannten, wie z. B. „Am hohen Berg.“ Ja, viel Spielraum gibt’s hier oben halt nicht. Danach zog sich die kurvige Straße langsam wieder bergab, vorbei an weiteren Höfen, an sich wundernden Bauern auf Treckern, die sicherlich dachten: „Was macht die denn hier? Ach, Touri halt…“ Als ich dann ein Stück gerade aus in der Sonne gen Tal entgegen fuhr, lag vor mir zur Rechten ein großes Gut und zur Linken eine weiße Kapelle mit einem schwarzen Kirchtürmchen. Die kleine Kapelle strahlte richtig in der Sonne, so dass mir erst beim Näherkommen auffiel, dass ein fetter Berner Sennenhund in ihrem Schatten lag und sich durch nichts aus dem Chillen bringen ließ. Auch nicht von einer Touristin wie mir.
Und wie ich so an dem Gut mit seinen eingeschweißten Strohballen vorbeifuhr, kam mir die Frage: „Ham die hier überhaupt Internet?“ So verschlafen idyllisch wirkte hier alles auf mich. Fast als wäre die Zeit Anfang des letzten Jahrhunderts stehen geblieben. Und dann rollte ich weiter gen „Zivilisation“. Es kamen mehr Häuser, aber keine breiteren Straßen. Nachdem ich unter einer Eisenbahn durchgefahren bin, war der Zauber des verschlafenen Schwarzwaldes vorbei. Und ich war wieder direkt an der Ortseinfahrt von Triberg.
Letzten Endes bin ich meinem verdammten Navi sehr dankbar, dass es mir dieses schöne Fleckchen Erde am Arsch der Welt gezeigt hat. Da oben waren einen Moment lang sorgenfrei, unbeschwert, neugierig und glücklich.
Heimat 😍
xoxo & liebste Grüße, Sina von
https://casaselvanegra.com 💙