An meine Yoga-Freunde, diejenigen, die Yoga-Freunde werden wollen, und alle anderen auch: Shavasana ist für mich wohl eine der genialsten Yoga-Posen (Asana), die es gibt. Die Totenstellung ist der krönende Abschluss einjeder Yogastunde.
Aber erst mal der Reihe nach: Fast jede Woche fahre ich nach acht Stunden Arbeit zum Yoga, hetzte im zackigen Schritt vom Hauptbahnhof durch die Seitenstrassen zu dem kleinen Studio der Hatha Yoga Schule mit seinen lila Wänden, zieh mich rasch um, und lasse mich auf die grüne Yogamatte nieder. Ab dem Moment fällt das erste Mal am Tag der ganze Stress ab. Ich mach die Augen zu, strecke Arme und Beine aus und fange an den herumspringenden Affen in meinem Kopf zu ignorieren. Oder wie es bei uns im Studio heisst: Lass die Gedanken wie Wolken ziehen oder wie ein Segelschiff, das immer kleiner wird, während es gen Horizont segelt. Ich richte mich auf der Matte ein und fange an zu atmen. Mit jedem Atemzug komme ich immer mehr auf der Matte an und freu mich auf die kommende Stunde.
Nach der üblichen Aufwärmung mit Hüfte dehnen, Kuh, Katze, saften Twists und dem ersten herabschauenden Hund geht es meistens in die Flow-Phase. Das ist für mich immer der aufregendste Teil. Der Flow besteht aus mehreren Sonnengrüssen hintereinander, eine Bewegung pro Atmenzug, die Atmung bestimmt das Tempo und den Bewegungsfluss. Einmal drin, lässt man sich einfach treiben und entspannt mit jeder Asana. Das Gute am Sonnengruss ist, dass man sich von oben nach unten nach hinten, unten und dann wieder hoch, hinten, vorne oben bewegt. Das heisst, gefühlt für mich, werden alle Körperpartien beansprucht und bei einer gewissen Geschwindigkeit und / oder Aussentemperatur kommt das Blut und der Schweiss in Wallungen. Danach kommt die Balance-Asana oder Asana-Ausprobierphase, gefolgt von ein paar sanften Dehnübungen, bis es in die allerletzte Asana geht: die Abschlussentspannung im Shavasana – Der Körper ruht, der Geist ist wach.
Für die, die noch nie Yoga gemacht haben: im Shavasana, der Totenstellung, liegt man total entspannt rum, auf dem Rücken, Beine leicht geöffnet, Arme etwas abgespreizt vom Körper, damit die Achseln frei sind, und Handflächen nach oben, Augen zu, Augenlider und Lippen leicht geschlossen, und man atmet.
Aber nach der Stunde körperlicher Bewegung, die jegliche Aufmerksamkeit auf sich und den eigenen Körper legt, die also irgendwie den Kopf ablenkt und bei mir zumindest frei macht, ist das Ankommen im Shavasana einfach nur himmlisch. Der Körper ist gefühlt nicht existent, der Geist nimmt ihn und seine Umwelt dennoch wahr. Ich komme dann vollkommen zur Ruhe, alles um mich herum verschwimmt und interessiert mich nicht, denn ich geniesse den Zustand, in dem ich einfach nur sein kann, ohne irgendwas zu machen, ausser zu atmen. Und selbst das kriege ich nicht mehr wirklich bewusst mit. Shavasana ist ein vollkommenes Loslassen von allem, das mich an die Erde bindet. Es ist der schönste Schwebezustand, den ich mir vorstellen kann.
Leider hat auch diese Asana irgendwann ihr Ende und wir schliessen die Yogastunde. Doch einen Teil des Schwebezustands, die Leichtigkeit und Entspannung und den freien Kopf nehme ich mit nach Hause, genauso wie das Glücksgefühl.
Namasté.