Marseille

Wie jeden Abend haben wir gestern noch besprochen, was wir heute machen: Mal wieder Stadt erleben, das wollten wir. Grossstadtfeeling, denn das konnten wir bei der Ruhe hier oben in Solliès-Toucas gut gebrauchen. Nach einem entspannten Aufstehen ging’s durch Hinterland (ohne Mautgebühren) und schöne Landschaft, die an Ibiza und Portugal erinnerte, gen Marseille. Hier hinten gab es verschlafene Dörfchen, die wahrscheinlich seltener Touristen sehen, und einen Freizeitpark im Wild-West-Stil. Verrückt. 

Geparkt haben wir in Marseille am alten Hafen , am Place aux Huiles. Die Parkgebühren sind so joah, aber für ne Stadt noch ok (6h für 10,30€). Und dann sind wir von dort durch die Strassen zur Touri-Info, auf der verzweifelten Suche nach einem WC. Merke: In Südfrankreichs Touri-Infos gibt es Stadtpläne, aber keine Klos! Die gibt es in Marseille im Lafayette-Kaufhaus nebenan. 

Übrigens: Nach Kopenhagen war dies eine der ersten Städte, die ich weder vorbereitet noch gekannt habe. Ich hatte am Vorabend und Morgen nur nach Parkmöglichkeiten und der wichtigsten Sehenswürdigkeiten sowie der Touri-Info gegoogelt. 

Mein Freund hatte sich also mit dem Stadtplan ausgestattet und die Führung übernommen (er hatte ja den Plan…), dann erst mal zum kleinen Triumphbogen, der Porte d’Aix, geführt, der jetzt nicht so spektakulär ist, und danach durch eine Gegend an der Rue Sainte-Barbe, die weniger schön war, usselig, vermüllt und leer, mit klumpigen Gebäuden, die einfach nicht ansehnlich waren. Wir haben uns dann an den anderen Touristen und bunten, helleren bzw. gepflegteren Häusern orientiert, um wieder in die belebteren Ecken zu kommen. Wir haben dann gemerkt, solange alles halbwegs gepflegt aussieht und sich dort Touristen bewegen, kann man in Marseille nichts falsch machen, das hat mich jedenfalls sehr beruhigt. 

So sind wir dann also an der Rue de la République und am Place Sadi-Carnot rausgekommen und da hatte ich das erste Mal in Marseille einen kleine Wow-Effekt: Hier stehen wunderschöne, hohe Prachtbauten aus dem 18. Jahrhundert, die einfach eine Eleganz ausstrahlen, dass man sich fast vorstellen kann, wie die Herren mit Gehrock und Zylinder und Damen in eleganten Kleidern und Hüten damals hier entlang spazierten. Nach einer weiteren Abbiegung sind wir am Fuss vom Hotel Intercontinental rausgekommen, das direkt auf den alten Hafen mit der darüber thronenden Kirche Notre Dame de la Garde blickt. Toplage für ein Hotel, keine Frage.  

Beim Weiterschlendern bin ich einfach mal meinem Bauchgefühl gefolgt, das zu den bunten Cafés gucken wollte, und dann neugierig die Treppe rechts rauf, die in den Schatten und dann links um die Ecke führte. Die Treppe endete in einer Gasse mit bunten Fensterläden und Wäscheleinen vor den Fenstern führte, vorbei an einem ersten bunten Laden mit Lavendel. Das war erst der Anfang vom Künstlerviertel Le Panier, nördlich vom alten Hafen. Ab da war jede Gasse mit ihren begrünten Blumentöpfen oder Balkonen, Wandmalereien und Graffitis, gusseisernen Laternen und bunten Fensterläden und Türen ein absoluter Hingucker. Hier hab ich mich sofort wohl gefühlt, es war heimelig, ruhig, aber auch sehr gemütlich und einfach nur schön. Ich glaub, ich hab fast jede Strasse nach links, rechts, vorn  und hinten fotografiert.

So haben wir uns einmal um „La Vielle Charité“ führen lassen, dem ehemaligen Judenviertel, das jetzt Szene-/ Künstler-/ Streetart-Viertel ist, in dem an jeder Ecke ein neues Graffiti wartete. Dazwischen gab es kleine Künsterläden oder alternative Cafés oder Brasserien, einfach nur idyllisch und  romantisch. Zumal man hier wirklich überall was Grünes hatte, oder was Buntes, die Sonne einfach nur noch die helle Akzente setzte und zwischen manchen Häusern und Gassen lugte das dunkelblaue Meer im Hafen durch.  Wir haben uns treiben lassen, sind aber irgendwie im Kreis gelaufen und am Place Sadi-Carnot mit seinen Prachthäusern wieder rausgekommen. 

Nach der Runde sind wir dann langsam zum alten Hafen runter, wo sich ein Mast nach dem anderen reihte und quasi die Aussicht auf das Riesenrad am Anfang der Canebière oder auf Notre Dame de la Garde schmückte. La Canebière ist DIE Prachtstrasse und Flaniermeile schlecht hin, quasi die Champs Elysées von Marseille, die schon in französischen Chansons besungen wurde. Ehrlich gesagt, und das freut mich auch zu schreiben, bin ich wohl zu jung dafür. Keine Ahnung, wir hatten bis dahin noch nie was davon gehört.

Das haben wir erst über den Audioguide in der kleinen Tschutschubahn erfahren, mit der wir für 8€ zur Notre Dame de la Garde getuckert sind. Wer mag, kann den Weg auch da hochlaufen, ist halt n Stück. Die Bahn fährt alle 20 min und braucht nicht so lang wie der Fussmarsch nach oben. Dafür sieht man noch ein paar andere Ecke von Marseille. Zuerst sind wir erst zum Fort St. Nicolas gefahren, das auf der südlichen Seite des alte Hafens steht, dann ein Stück an der Küste lang, vorbei am Schwimmbad, in dem heute noch Olympiaathleten trainiert werden, gleich neben dem kleinen Stadtstrand, der voller Badelustiger war, mit Blick auf die Felseninseln, auf der einen steht auch das Chateau d’If (Monsieur Dumas und der Comte de Montecristo lassen grüssen). Die Bahn ruckelte weiter durch ein wunderschönes Villenviertel, das im 19. Jh. entstand, weil sich hier die reichen Händler nach und nach fette Butzen hingesetzt haben, um ihre Schiffe auf See wieder heimkehren zu sehen. 

Dann zog sich die volle Bahn schnaufend und klappernd den Hügel zur Kirche Notre Dame de la Garde hoch. Die alte Wehrkirche mit Grundmauern aus dem 13. Jahrhundert überragt die Stadt regelrecht und ist von allen Seiten gut ersichtlich (so ein bisschen wie der Dom).

Die Kirche hat zwei Stockwerke mit zwei separaten Eingängen. Durch den unteren kommt man in eine einfache Kapelle, durch den oberen in die eigentliche byzantinische Kirche. Und die hat es echt in sich. Das Innere ist reich verziert, mit sehr viel Gold, rotem und weissem Marmor, es sieht einfach atemberaubend aus. Die Notre Dame wurde den Händeln und Seefahrern gewidmet, so dass das  nautisches Thema überall in der Kirche zu finden ist. Es hängen Schiffsmodelle wie in kleinen Mobiles von der Decke, es gibt viele Bilder mit Schiffsmotiven und auch Grabsteine von Menschen, die auf See gestorben sind.

Mich hat der Kunstreichtum voll beeindruckt, auch der Boden mit mehrfarbigen, kleinen Mosaiksteinen, genau wie die reich vergoldeten Mosaike an den Decken. Mein Freund fand es so mittel, weil er es zu voll und prunkvoll fand. Aber noch besser war der Ausblick von da oben, denn man kann um die Kirche herumgehen und Marseille in seiner ganzen Weite erfassen: den alten Hafen, den Fährhafen, die Inseln, das Hinterland mit seinen Plattenbauden, dazwischen ein Meer von beige-gelb-farbenen Häusern, manche bunter als die anderen. Auch gut erkennbar ist das Stadion von Olympique Marseille, das mit seinem wellenförmigen, glatten, weissen Dach aus der bunt-braunen unebenen Häuserflut heraussticht. Also der Ausblick allein von hier oben hat sich schon gelohnt. 

Mit der nächsten Bahn wieder wir wieder in die Stadt runtergerollt, schön eingequetscht zwischen den dicken Gästen, denen es selbst unangenehm war. Von der Bahnanlegestelle sind wir an der Hafenpromenade zum Riesenrad und von dort zur Canebière geschlendert. An der Prachtstrassen reihen sich viele Geschäfte, unter anderem auch ein HEMA (Maastricht ahoi). Da wir aber mehr von Marseille sehen wollten, sind wir noch in die Seitenstrassen.

Wenn man allerdings, wie wir auf Entdeckertour, nördlich der Strasse mit ihren sehr coolen Trams kommt, dann ist man mitten im orientalischen und nordafrikanischen Viertel namens Noailles. Hier wirkte alles sehr authentisch, aber auch etwas mitgenommen, mit zahlreichen, kleinen Läden, die Vielerlei anbieten: Gold, Stoffe, Früchte, aber vor allem diverse Gerichte und Backwaren… Vor den Cafés und Kneipen sitzen die Besitzer und auch evtl. Dauergäste, die uns Touristen, die hier natürlich auffielen wie ein bunter Hund, hinterher schauten… So gemütlich wie im Viertel Panier war’s hier ehrlich gesagt für mich nicht. 

Wir haben dann noch etwas am Hafen gegessen und dann nochmals kurz durch die Haupteinkaufsstrassen, die eine einzige Baustelle waren, ins Quartier des Antiquitaires gelaufen. Aber da hätten wir noch mehr Zeit gebraucht, um die entsprechenden Läden zu finden, und so an sich war es  ganz nett. Für mich war es herrlich eine ältere Lady in Red mit ihrem Hündchen zu beobachten, die anscheinend auf ihre Verabredung wartete. Sie war ganz Französin, von Kopf bis Fuss durchgestylt, der Hund auch. Das war witzig. 

Aber alles in allem fand ich Marseille leider nicht so schön wie erhofft. Irgendwie fehlte mir insgesamt das französische Feeling, das ich sonst kriege, wenn ich in einer französischen Stadt bin. Die Prachtstrassen waren ja schön und gut, aber irgendwie auch leer und es fehlte das Leben, mit den Strassencafés und so. Dieses französische Feeling kam nur im Quartier Le Panier auf. Und der Ausblick von Notre Dame de la Garde hat mich ebenfalls sehr beeindruckt. 

Nach dem langen Tag in der Stadt waren wir froh, als wir im Auto auf dem Heimweg sassen. Aber kaum hatten wir den Tunnel, der aus Marseille führt, verlassen, standen wir im schönsten Berufsverkehr auf der Autobahn. Lief gut. Zurück in der FeWo am Hang, haben wir am Pool gechillt (ja, wir haben einen Pool, hatte ich das nicht erwähnt?!) und den Abend entspannt, beim mittlerweile obligatorischen BBQ, ausklingen lassen. 

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