Cedar Key & Tallahassee

Auf unserem Weg nach Tallahassee haben wir noch einen kleinen Zwischenstop gemäss unserem Reiseführer gemacht. Wir sind einmal links abgebogen und dann laaaange gerade aus gefahren, nach Cedar Key. Die Strasse hatte grünen Wald auf der einen Seite, einen Streifen Sumpfwiese mit angrenzenden Bäumen auf der anderen Seite. Alle paar hundert Meter führte eine Strasse rechts weg, auf einen Privatweg.

Das ging 30 min so, bis wir endlich ans Wasser kamen. Denn Cedar Key liegt auf einer Insel und war die Endstation der Eisenbahnlinie, die einst quer durch Florida ging. Angeblich soll hier eine Bleistiftfabrik (Faber Castell und so…) gewesen sein, aber wir haben sie nicht mehr gesehen. Cedar Key ist ein super verschlafenes Nest mit absoluter Kleinstadtidylle und Dorfcharme, direkt am Meer, mit breiten Strassen, auf denen man überall parken kann, mit individuellen Läden, die gähnend leer sind, mit alten historischen Holzhäuser in eher „mit rustikalem Charme“. Aber es gab auch schön hergerichtete Ferienhäuser, die einfach nur zum Seelebaumeln lassen einluden.

Ich fand diese Stille und Leere in den Strassen echt angenehm. Im Reiseführer stand, dass man hier her komme, wenn man seine Ruhe haben will. Jap, is so. Da ist es sehr ruhig. Voll total. Nur das Meer brach rau und rauschend gegen den Strand und den kleinen Pier.

Am Pier stepte etwas der Bär, ok, hier waren viele Autos und ein Restaurant, das förmlich mit Touristen „voll“ war. Und auf einem kleinen Parkplatz sammelten sich die Möwen wie in „Die Vögel“. Gut, es war Mittag. Vielleicht hatten sie Pause…

Jedenfalls, für mich war der kleine Ort am rauschende Meer mit seinen leeren Strassen einfach echt eine kleiner Perle am Rande Floridas. Echt schön da, mit einem sehr coolen Ausblick auf die vorgelagerten Inseln. Auf dem Pier, auf dem man auch angeln kann (nur Fische, keine Pelikane), haben ein paar Pelikane die Mittagsruhe zum Dösen und Putzen genutzt. Da konnten wir recht nah ran kommen. Aber Paparazzi ham die auch nicht gern. Auf unserem Rückweg zum Auto zogen die Möwen in einer versammelten Gruppe ihre Kreise über dem Restaurant, dem Pier und uns… jap, das hatte wieder was von einem leichten „Die Vögel“-Feeling. 

Nach diesen Eindrücken der absoluten Kleinstadtruhe ging es für uns wieder zurück gerade aus, und dann einmal links und dann wieder gerade aus, bis nach Tallahassee.

Tallahassee, das ist eine wunderschön klingende Universitätsstadt im Norden von Florida – und die Hauptstadt des Sunshine States. Die Einfahrt in die Stadt war eher amerikanisch – sehr viele normal gepflegte, nicht besonders herausgeputzte Wohnsiedlungen, dazwischen Einkaufszentren mit Läden und Fast-Food-Läden, die Hauptstrasse immer weiter gerade ausführend, hin zum schon von Weitem erkennbaren State Capital Building… Kann man wirklich nicht übersehen. Ist ein einziger Wolkenkratzer…

Unser kleines Hotel, das Govenor’s Inn, war eigentlich gleich in der Nachbarstrasse hinter dem Riesen, im historischen Teil der Innenstadt mit seinem Kopfsteinpflaster und seinen dunkelroten Backsteinhäusern, die von weissen Säulen und Verandas eingerahmt wurden. Für mich hatte das was vom Meatpacker’s District in New York, mit seinem einfachen, rustikalen Charme, nur dass es hier halt noch Südstaatenflair hatte. 

Bei unserer Ankunft goss es aus Kübel, trotz der Wärme, so dass wir zack zack ins Inn gesprintet sind und das Auto von einem Valet Service (Parkservice) parken liessen. Und unser Zimmer war einfach nur ein kleiner Blick in die Vergangenheit, mit antiken Möbeln und einem Himmelbett, das so hoch war, dass ich reinklettern musste und die Beine Baumeln lassen konnte. Nach dem Abendessen schräg gegenüber mit lecker lokalem Bier gab es noch einen kleinen Rundgang um den Block, der bei uns echt einen positiven Eindruck hinterliess. Das schien eine schicke Ecke zu sein.

Joa, das war auch eine schicke Ecke, in der wir waren. Und zwar auch fast die einzige in der Stadt. Naja, jedenfalls nach dem Frühstückskäffchen, Haferflocken und dem Bagel mit der Standardtraubenmarmelade am nächsten Morgen ging es in die Stadt – nach Downtown. Das war der Plan jedenfalls. Aber ehrlich gesagt, für den gemeinen Europäer gibbet da net wirklich viel zu sehen. Die Ecke um unser Hotel rum war halt wirklich schön gewesen, mit kleinem Park und hübschen Brunnen und halt diesen Bachsteinhäusern und ihren Balkonen. Dann gab’s da noch das State Capitol, die moderne Riesenwolkenkratzerversion mit einem Delfinbrunnen davor und alte Version aus dem 19. Jahrhundert sowie noch der pompöse Supreme Court (so was wie das Landesgericht) gegenüber, der echt Eindruck schindete.

Richtig hübsch wird das Ambiente der Stadt für mich durch die fetten, ausladenden Eichenbäume mit viel, buschigem Grün und dem Spanischen Moos, das wie mintgrüne Schleier herabhängt und sanft im Wind weht. Das verleiht dem ganzen Stadtbild was romantisches, warmes, heimeliges. Ich fühl mich damit einfach wohl.

Danach sind wir in die Künstlerviertel an der Railroad Ave gelaufen (nochmals ein Reminder: Unterschätzt die Entfernungen nicht, und die Hitze da unten…dat zieht sich wie Kaugummi). Das eine Künstlerviertel nennt sich All Saints und zeigt für die paar Häuser da recht verhältnismässig viel Street Art. Insgesamt ist es hier auch recht alternativ angehaucht. Schwer zu beschreiben, aber leicht erkennbar. Dann gibts da ein Stückchen weiter den der Railroad Art Park, weniger mit Kunst als mehr mit seltsame eiserne Statuen versehen. Unsere Begeisterung über diese Art der Kunst hielt sich merklich in Grenzen. Nach 10 m sind wir umgekehrt und über den leeren Campus zu unserem letzten Stopp gehechelt und geschwitzt. 

Das war der Old Cemetery, ein wunderschöner alter Friedhof direkt hinter der den Studentenwohnheimen der Uni, umrahmt von knöchrigen Bäumen mit Spanischem Moos. Und den Friedhof fand ich wirklich schön: Dort gibt es alte Gräber vornehmlich aus dem 19. Jahrhundert, die meisten grauen Grabsteine sind verwittert, mit grünem Moos oder mintfarbenem oder gelben Flechten bewachsen, kaputt, schief, unlesbar oder alles zusammen. Dazwischen stehen mächtige Bäume, deren Äste und Blätterwerk sich wie ein Laubdach über die Gräber ausdehnen, das Spanische Moos tut sein übriges zum urigen oder auch romantisch-gruseligen Look. Als die Sonne rauskam, hat sie durch die Zweige einen Lichterteppich auf die grauen Steine und den Rasen gezaubert. Ich fand’s echt super hier. Und kein einziger Touri. Ausser Lukas. 😀 An Halloween muss es hier echt abgehen oder wenn es dunkel ist. Da mag ich dann doch nicht drüber laufen… Danach sind wir die Park Avenue zurück gelaufen, vorbei an vielen Kirchen und historischen Häusern. 

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Bei unserem kleinen Rundgang wurde anhand von dem Begriff „Downtown“ bewusst, dass die meisten amerikanischen Städte nicht europäischer Natur sind. Heisst: Im Zentrum namens Downtown gibt es meist Regierungs- und Bankenviertel und ein paar Kneipen. Es ist nicht das typisch europäische Zentrum mit Rathaus, Märkten, Kneipen, Cafés und Einkaufsstrassen, die Leben in die Bude bringen. Einkaufen tut man in den meisten Städten Floridas ausserhalb des Zentrums in den Einkaufszentren, in denen sich ein megagrosser Supermarkt, diverse Fast-Food-Diners und kleinere andere Läden sammeln. Irgendwie find ich das schade, aber so ist das nun mal. Insgesamt war es mal schön, die Hauptstadt des Sunshine States gesehen zu haben, auch unser historisches Hotel war super, nur übernachten würde ich hier nicht nochmal. Nun gut, et is wie et is.

Wir haben unseren quietschroten Chevy wieder vorfahren lassen und dann sind auch schon weiter, zu unserer nächsten Übernachtungsstation, auf die ich mich schon die ganze Zeit gefreut habe: Apalachicola.

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