Sumpf ahoi: ab in die Bayous

Der nächste Morgen sollte mit dem typischen Geschmack der Südstaaten starten: bei Lil’ Dizzy, einem sehr einheimischen Lokal im Viertel Tremé, das laut unserem Reiseführer eins der besten Lokale der Stadt zum Frühstücken sein soll. Kaum öffneten wir die Eingangstür, kam uns ein Schwall Frittierfett entgegen. Es roch wie in einer Frittenbuden, weil die da in einer fast fensterlosen Hütte frisch kochen. Meine Vermutung war, dass die nur „lüften“, wenn ein Gast zur Tür rein oder raus kommt. Es war eng, einfach, aber die Bedienung sehr herzlich und es gab viel zu sehen, weil überall Zeitungsartikel an der Wand hingen und man die Leute beobachten konnte. Es gab wunderbar schmackhaftes French Toast (Arme Ritter) mit Blörre-Kaffee. Einfach himmlisch. Als wir aus der Frittenbude gekommen sind, haben wir nach Fett gerochen. 

Dann ging es in die Sümpfe im Osten der Stadt. Die Interstate 10 führte über den Lake Pontchartrain und den Lake Borgne, die links und rechts der Autobahn wie silberblaue Spiegel unter dem Schäfchenwolkenhimmel in der Sonne glitzerten. Ja, hier war noch Sonne da, aber am Horizont waren schon die ersten Regenschleier zu sehen. Trotzdem haben wir noch stark geglaubt, dass wir da nicht hin müssen. 

Wir sind von der Autobahn runter und mitten in die Pampa gefahren, alles Grün, links und rechts mal ein kleines Herrenhaus mitten in einem grossen abgezäunten Gelände, umgeben von Bäumen, von denen das Spanische Moos hing. Oder ein paar heruntergekommene Hütten.  

Am Vorabend hatten wir eine Swamp Tour bei Cajun Encounters ($29 mit Eigenanreise) gebucht. Am besten sollte man das vorher buchen, weil die auch einen Shuttleservice anbieten. Ich würde eher die Eigenanreise empfehlen, weil man dann unabhängiger ist und nicht auf die An- und Abfahrtszeiten des Shuttles angewiesen ist. Und wenn dann mal so ne Welle Touris in das kleine Büdchen des Cajun Encounters Headquarters schwappt, dann gibt’s da fette Warteschlangen und das dauert alles. Bei uns wurde eine dritte Kasse aufgemacht und wir waren da dann die ersten, die dort pinke Armbänder erhielten, die uns in Gruppen einteilten. Während wir da so in der überdachten Wartehalle warteten, fing es dann doch an zu regnen, zu giessen, zu schütten.

Vorteil: es kühlte schön ab, Nachteil: dann kam der Donner und der Blitz, nicht weit von uns. Kurz, das Gewitter war direkt über uns und einer der Blitzte krachte wirklich keine 10 m um die Hütte mit einem Paukenschlag ein. Da zuckten sogar die Angestellten zusammen. Aber wie es so in Louisiana ist: Das fängt wie ne Dusche an zu regnen und keine 20 min später ist alles vorbei. Die Regendusche duschte sich langsam aus und dann rief uns Captain Bishop auf sein Boot. Er musste er aber noch n Ledertuch suchen, damit er die Sitzbänke sauber machen konnte. Das Tuch war klischnass, vorher schon. Aber gut. Mit Captain Bishop war nicht zu spassen, denn er nannte uns ein paar Regeln und Bedingungen für die kurze Reise auf seinem Boot: Keine Fotos von ihm, es wird nass auf dem Boot, ganz sicher (ja wurde es), und keine Bananen an Board (das bringe Unglück, hätte er gegoogelt und da wären 177.000 Einträge dazu gekommen….). Der Typ war einfach klasse: Krabbenfischer in der x. Generation, im Cajun aufgewachsen, der kannte sich da in den Flüssen aus wie sonst was, gut ,er hat auch so Bootstouren 10 Jahre gemacht. Wir waren an seinem letzten Tag da, er hatte am Vortag gekündigt und will jetzt professioneller Vogelbeobachter werden. Jeder hat seine Träume. Er hatte nen echt guten Humor, dabei auch gute Infos über Fauna, Flora und Geschichte der Sümpfe geliefert.

Erst ging es eine Stunde lang mit Fahrtwind durch die Flüsse und Kanäle, die mit Seerosen bedeckt waren und an deren Ufer hohes Schilf oder Bäume wuchsen, auf und ab, auf der Suche nach Tieren. Wir haben Graureiher, seltene brütende Vögel, Schildkröten und viele, viele Alligatoren gesehen. Hier sind die Alligatoren etwas schlanker als in Florida und ähneln eher einem Krokodil, nur die runde Schnauze und der Körperbau verrät, dass es ein Alligator ist. Im Gegensatz zu den wilden, gemütlich die Touristen ertragenden Alligatoren in Floria, haben die hier in den Sümpfen Namen: z. B. wie Scarface, Rocky (der Liebling von Captain Bishop), Priscilla und Jerk Face. Manche Namen kämen von den Menschen, aber Scarface und Rocky hätten ihre Namen vorher schon gehabt, quasi selbst gegeben oder von ihren Eltern… 

Die vielen Alligatoren, die wir gesehen haben, waren leider auf die Boote konditioniert. Denn sie wurden vom Captain und seinen Kollegen gefüttert, und zwar mit so Alligator-Nuggets (Futterbrackets mit Trockenfleisch und Proteinen). Damit würden die Tiere in den Zoos auch gefüttert und laut dem Staat müssen sie das auch füttern. Blöd ist Folgendes: Erstens frisst ein Alligator nur einmal die Woche und dann so was in der Menge wie ein Huhn, mal mehr, mal etwas weniger. Jetzt kommen da so mindest. 4-5 Boote pro Stunde vorbei, die jedem Alligator ca. 2 Nuggets geben. Kurz: Ein Tier kriegt sein Huhn am Tag locker zusammen. Ich weiss leider nicht, ob die Alligatoren wissen, dass sie satt sind oder ausreichend zu sich genommen haben, und dann aufhören zu fressen. Manchmal konnte ich das so ansatzweise raushören, aber wenn ich gesehen habe, wie zielstrebig die Tiere auf die Boote zuschwammen, dann glaube ich das nicht. Zweitens fressen die Alligatoren die „gesunden“ Futterknödel oder -kötel nicht immer, weil sie vor der staatlichen Verordnung mit Hotdogs und Marshmallows (kein Scheiss) gefüttert wurden. Die Tiere, die also noch die alten Zeiten miterlebt haben, spuken die Kötel wieder aus und kriegen dann ein Stück Hotdog. Auch nicht so Sinn und Zweck der Sache. Na wenigstens gibt es keine Marshmallows mehr… 

Trotzdem war es faszinierend bei der Fütterungsaktion zu beobachten, wie weit die Tiere aus dem Wasser springen können. Keine Ahnung, wie sie das machen, aber es ist echt beeindruckend und beängstigend. Die Tiere waren wirklich direkt am Boot. Da hätte keine Hand mehr dazwischen gepasst. Und dann springen die da raus und schnappen keinen Meter vor deiner Nase zu. Und die Tierchen von 2-3 m Länge haben ziemlich Kraft. 

Nach der Tour durch die Flusskanäle ging es in den wilden Teil, in die Sümpfe bzw. in ein Bayou. Bayou stammt vom indianischen ab und heisst so was wie „kleiner Strom“. Bayous sind wilde Flüsse, die nicht vom Menschen begradigt wurden. Nur unser Bayou war eine Sackgasse, in der zu unserem Zeitpunkt sicher 6-7 Boote unterwegs waren.

Captain Bishop meinte nur: „Wenn ich sage, dass wir an irgendwas anstossen, dann stossen wir an irgendwas an“. Das passierte selten, wenn es halt nicht vermeidbar war. Ein Bayou hat vor allem im Wasser stehende Mangroven sowie auch wilden Reis, grüne weit gefächerte Blätter und Büsche, die aus dem Wasser spriessen wie Unkraut, und zedernartige Bäume, von den Ästen hängt Spanisches Moos. Auf dem Wasser gibt es dazwischen manchmal kleine Seeroseninseln und auf den Schlammbänken oder unter aus dem Wasser stehenden Wurzeln beobachten Alligatoren skeptisch die Touris in den Booten. Ich find diese Bayous einfach traumhaft, weil man hier in einer anderen, verwunschen Welt zu sein scheint.

Abseits des Bayous wurde der Wald dichter und man konnte nicht ausmachen, ob da noch Land kommt oder alles Sumpf ist. Neben den Alligatoren im Wasser, haben wir auch noch eine seltene Habichtart brüten sehen und Wildschweine, die schwimmen. Ja gut, eigentlich können alle Schweine schwimmen. Aber Crispy und Kevin (Bacon) waren besonders gut darin, weil sie natürlich von den Booten Futter bekamen. Als wir dort ankamen, waren wir das 4. Boot am Ende der „Sackgasse“. Und Crispy schwamm von einem zum anderen Boot, um Futter abzugrasen. Angeblich sind sie an manchen Tagen gar nicht da. Aber es sind immerhin noch Schweine, die sind nicht doof und machen es sich nicht schwer mit der Futtersuche: Wenn sie wissen, dass es da jede Stunde Futter gibt, dann sind die da. 

Dann ging es langsam zurück, unser Captain meinte, die nächste Regenwelle würde knapp an uns vorbei ziehen. Ja, nee, tat sie nicht und es goss nochmals kurz aus allen Rinnen. Aber ich fand das wunderbar, es hatte was ruhiges, romantisches, dieses leise Rauschen auf dem Wasser. Als wir so zurück zum Anlegesteg geschippert sind, haben wir an den Ufern immer noch die Auswirkungen von Hurricane Katrina zu erkennen. Es gibt ein paar Häuser, die waren vor Katrina nicht da, sie wurden da hingeschwemmt. Andere waren schon da und die Bewohner haben sie noch höher auf die steinernen Stelzen aufgestockt. Katrina hat hier überall, egal ob Land oder Stadt, echt viele Spuren hinterlassen. Deswegen ist es umso erstaunlicher, wie schnell alles wieder hergerichtet wurde und wird.

von Katrina angeschwemmt

Die Tour in die Sümpfe lohnt sich, unabhängig von dem Tiergefüttere, das mir selbst auf den Magen geschlagen ist. Es ist ein spannender Ausflug in die Wildheit Louisianas, der man als normaler Touri sonst nie so nah kommen würde.

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