Nach dem Ausflug in die Bayous hatten wir echt gedacht, das war’s mit dem Regen, aber nö: An unserem zweiten Tag in New Orleans war – ohne Mist – Regen angesagt. Wat machste? Nix. Ok, den Regenschirm einpacken. Da New Orleans ja noch mehr zu bieten hat als das French Quarter, ging es heute einen anderen Teil der Stadt erkunden: Einmal Downtown, zu den Wolkenkratzern, und zum anderen den Garden District mit all seinen Villen aus dem 19. Jahrhundert. Aber alles nacheinander.
Wir haben sind einmal durch die Stadt und durch richtig unbefestigte Strassen bis zum Rand vom Garden District gefahren, der direkt an Downtown grenzt, und haben in der Camp Street geparkt, da gibts kostenlosen Parkplätze. Und dann sind wir einfach in Richtung Hochhäuser und Canal Street gelaufen, die Wolkenkratzer kann man ja nicht übersehen. Und auf dem Weg dorthin stehen schöne Backsteinhäuser in verschiedenen Farben, mit Verzierungen und Eisengitterbalkonen, die etwas rustikalen Schick in die Strassen bringen. In der Camp Street ist auch die Museumsecke: Civil War, Contemporary Art und ganz beliebt National WW II Museum.
Da wir nicht in Museumsstimmung waren und es noch nicht geregnet hat, sind weiter gelaufen, am Gericht und Lafayette Square vorbei bis zur Canal Street. Wenn ich da so am Lafayette Square stand, umringt von gläsernen oder beeindruckenden Wolkenkratzern, da kommt man sich schon vor, wie in der Grossstadt, hat so was wie ansatzweise ein New York Feeling. Hier ist das Geschäftsviertel mit Banken, vielen fetten Hotels, Kunstgalerien und edleren Jobs. Downtown endet im Norden an der Canal Street, der Einkaufsmeile schlecht hin, auf deren anderen Seite das French Quarter beginnt.
Auf der Canal Street stehen noch historische Häuser mit alten Läden (und modernem Inhalt) und neue Gebäude, über den Dächern thronen Werbeplakate wie aus den 30ern und in der Mitte verläuft die Strassenbahnlinie mit den historischen Wagen (Cable Cars). Ähnlich wie in San Francisco sind diese Strassenbahnen bei Touristen sehr beliebt. Anders als in San Francisco rennen die Touris die Trams hier regelrecht ein – im Zentrum hat man keinerlei Chance, da irgendwie reinzukommen. Man sollte es eher an den Endstationen versuchen. Das Flair hier war angenehm, hatte was von den alten Zeiten und erinnerte mich an den Frühstücksplausch in Mobile. Da hatte die ältere Dame davon geschwärmt, wie sie früher hier entlang flanierte als junges Mädchen. Das konnte ich mir richtig vorstellen, auch wenn der Ganz der Champs Elysées jetzt hier nicht zu finden war. Auf der einen Seite der Canal Street stehen die „flacheren Bauten“ vom French Quarter, während gegenüber hinter den alten Geschäftshäusern um 1900 die Hochhäuser gen Himmel recken.
Und der Himmel an dem Tag wurde immer dunkler am Horizont. Wir sind eine Seite der Canal Street hoch gelaufen, die andere Seite runter bis zum Casino Harahs (einer wesentlich grösseren Version von der in Las Vegas), dem ironischer Weise Obdachlose gegenüber sassen, und weiter bis zum Mississippi. Dort am Ende der Canal Street ist das Audubon Aquarium direkt an der Riverfront mit weitem Blick auf den Fluss. Wir haben uns dort etwas ausgeruht, die vorbei ziehenden Schiffe und Touristen beobachtet und dem Geplapper und Geschnatter der Wellensittiche gelauscht, die da am Aquarium in einer riesigen Voliere wohnten. Dennoch wurden die Wolken auf der anderen Mississippi-Seite dunkler, am Horizont sah man den Regenschleier und die Blitze. In weiser Voraussicht, dass es vielleicht doch bald regnen würde, sind wir langsam ins Trockene geflüchtet, in die Riverwalk Outlet Shopping Mall, die da südlich des Aquariums ist. Als wir da so am Fluss entlang schlenderten, sind wir an einer elend langen Schlange von wartenden Touris vorbei, die alle noch zu einer Dampfertour wollten. Wir haben die Natchez und eine andere Belle (Schaufelraddampfer) gesehen und die Dampfer sind echt wunderschön, ähnlich wie in Dresden nur prachtvoller, halt wie eine Südstaatenschönheit, Southern Belles wie sie hier heissen.
Nach etwas Schaufensterbummeln haben wir eine Filiale des Café du Monde in dem Einkaufszentrum entdeckt. In der Kaffeehauskette soll es u.a. die besten Beignets der Stadt geben. Bei-was? Beignets (gesprochen „Bäjnjé“) sind übergrosse Kräppelchen mit viel, viel, viiiiiel Puderzucker, die frisch frittiert werden müssen, bevor sie serviert werden. Sonst schmecken sie nicht. Mit Kaffee und Pudernase haben wir dem Regen beim Schütten zugeschaut und gewartet, bis er alles leer geschüttet hatte.
Dann ging es zurück zum Auto, direkt durch den Warehouse District mit viel Backsteinhäusern, altem Putz oder angemalt, mit edlen Restaurants im Industrieschick und vielen kleinen Kunstgalerien oder Ateliers.
Für den Nachmittag ging es in den Garden District gefahren. Hier gibt es nichts wildes, nur zig wunderschöne historische Villen, die Stadthäuser der damaligen Aristokraten und Plantagenbesitzer, die schattigen Alleen mit knochigen Eichen stehen, deren mächtige Wurzeln sich immer wieder an die Oberfläche des Asphalts kämpfen. Wir haben unser Auto in einer Seitenstrasse abgestellt und haben uns treiben lassen.
Hier scheint man in einer anderen Welt gelandet zu ein, alles ist ruhig und man hat kein Grossstadttrubelfeeling mehr. Die zig Touristen verlieren sich in den Strassen und bewundern ein Stadthaus nach dem anderen, eins schöner als das andere und jedes natürlich vollkommen individuell in verschiedenen Grössen und mit gepflegten Gärten, viele mit Veranda und Balkon und Säulen am Eingang. Eins unserer Ziele war der historische Friedhof Lafayette, aber der macht um 15 Uhr zu und wir waren um kurz nach 3 da… und starrten mit vielen anderen enttäuschten Touris durch das geschlossene Gittertor auf die Gänge und Gräber.
Danach sind wir nach dem Bauchgefühl links und rechts und kreuz und quer durch die teils sehr wackeligen Strassen. Die Natur setzt sich hier durch, denn das Schöne sind hier nicht nur die Villen, sondern auch die gigantischen Eichenbäume, die sich mit ihren mächtigen Ästen majestätisch über die Strasse lehnen und diese mit ihrem Blätterwerk überschirmen. Das wirkte richtig romantisch und als ob die Zeit stehen geblieben wäre (wären da nicht die vielen Autos). Zudem pressen die Wurzeln gegen den Asphalt des Fusswegs und drücken die Steine oder Platten nach oben, also Obacht, ich bin ein paar mal gestrauchelt. Gut, ich krieg das auch ohne Wurzeln hin.
Ich hätte gern noch mehr Strassen gesehen, aber irgendwann, nachdem man die 100. (oder 20.) Villa fotografiert hat, weiss man fast nicht mehr, wo man angefangen hat. Also sind wir ohne gross zu fotografieren weiter durch die Strassen und am Ende sind wir auf der Magazine Street rausgekommen. Das ist eine Art kleine Hauptstrasse mit Kleinstadtcharakter, wo es schmucke, individuelle, teils alternative Läden gibt.
Im Rum House waren wir noch lecker essen und sind dann durch wiederum andere Strassen zum Auto getingelt. Insgesamt waren wir an dem Tag sechs Stunden zu Fuss unterwegs. Und ehrlich gesagt, hat mir der Garden District wesentlich besser gefallen als das French Quarter. Das Viertel hat eine urig, gemütliche Atmosphäre, die eine unglaubliche Ruhe ausstrahlt. Die prunkvollen Stadtvillen sind stumme Zeitzeugen, die heute noch einen Hauch der Zeit versprühen, in der hier die Schickeria von New Orleans wohnte.
Am Abend sind wir noch auf die Frenchmen Street, weil es hier die richtigen Jazzmusik geben soll, wo Bands auf der Strasse spielen, des Jazz zu Liebe wegen und nicht für Touristen. Das war ein Tipp unserer Gastgeberin. Es ist hier ursprünglicher als im French Quarter, mit Streetart, bunten Häusern und allerlei Bars und Restaurants. Aber tagsüber sind hier nur die Touristen unterwegs, von Jazzmusikern war nicht zu sehen. Also haben wir uns ein Lokal gesucht, das Soul-Food-Restaurant. Es war gerammelte voll, mit Touris und alten Leuten.
Gut, macht ja nichts, wir hatten Hunger und wollte die kreolische Küche probieren, die typisch in Louisiana und den Südstaaten ist. Während Lukas ein Jambalaya (kreolischer, leicht scharf gewürzter Eintopf) hatte ich ein Po’Boy mit Garnelen. Das ist ein Baguette-Sandwich, und der Name leitet sich von „Poor Boy“ ab, der umgangssprachlich in der Region dann zu Po’Boy wurde. Kurz: Es war superlecker. Weil es dann langsam dunkel wurde, sind wir zurück zum Auto und dann haben wir die erste Jazzband gesehen, die an einer Strassenecke sich für den Abend bereit machte. Nur nach den sechs Stunden durch die Stadt laufen, sind wir dann erschöpft zurück zur FeWo.