Nach dem Auschecken aus unserem Hotel in Dresden, was irgendwie keines war, weil der Zimmercode einfach nur seine Gültigkeit verlor und wir einfach nur die Tür ins Schloss fallen zu lassen brauchten… na, nach dem Auschecken sind wir über den Alter Markt zum Parkplatz und da war er: Ein Imbissstand mit Kräbbelchen! Kräbbl-was? Ja, genau, die leckerste Kindheitserinnerung, die ich mit der Leipziger Kleinmesse und dem Weihnachtsmarkt verbinde! Das sind kleine rechteckige, süße, frittierte Teigkissen mit Puderzucker, die am besten warm gegessen werden sollten. Das Tollste ist, dass sie in einer Papiertüte serviert werden, die in wenigen Sekunden durchsichtig vom Frittierfett ist. So lecker. Genau, an einem sonnigen Donnerstagmorgen, der wieder 30 Grad versprach, hatte ich eine Tüte extra für mich frisch gemachte Kräbbelchen, die ich mit Genuss und einem Becher Kaffee in der Sonne genoss. Ich fühlte mich wieder wie sieben und war megahappy. Neben meinem Freund, der einfach nur ruhig den Kopf schüttelte.
Danach ging es über die ruhige A14 durch gelbbraungrüne Spätsommerlandschaft mit Wiesen, Feldern und kleinen Dörfchen nach Leipzig. Schon auf dem Weg dorthin, als wir an der Ausfahrt Naumburg vorbei fuhren, musste sich mein Freund meine Kindheitserinnerungen vom Naunhofer See anhören. Und das war nur der Anfang. Das wusste er zu dem Zeitpunkt noch nicht. Meine Fresse, war ich hippelig und aufgeregt, wieder in meine alte, erste Heimat zu kommen und sie meinem Freund zu zeigen. Er war nämlich selbst noch nicht hier und sah die ganze Sache etwas entspannter. Nach einer extra Runde um den Leipziger Hauptbahnhof haben wir dann dort auf der Ostseite geparkt. Da ist ein mega Parkhaus, direkt an den Promenaden, einem Rieseneinkaufszentrum. Da kriegt man alles, was man für die Zugfahrt so braucht…
Naja, egal. Wir sind mit unseren Trolleys in der Spätsommerhitze zu unserem Hotel getingelt, das keinen eigenen Parkplatz hatte. Denn unser B&B Hotel lag in der Nikolaistrasse halt so was von zentral, da brauchte man gar kein Auto oder Parkplatz oder sonst was. Nach einer kurzen Erfrischungspause ging es in die Stadt, in meine Heimatstadt, in der ich … eh seit dem Studium, vor äh.. *rechnerechne* öh… sieben Jahren?! … nicht mehr war. Alter, ist das lange her. Vielleicht war ich gerade deswegen so aufgeregt. Es wurde langsam wieder Zeit.
Also hab ich meinen Freund ganz entspannt durch die Stadt geführt. Wir hatten super Sommerwetter, mit praller Hitze, es waren die üblichen Touristen unterwegs, die Stadt wuselte in normaler Fülle vor sich hin und ai, war das schön, Sächsisch zu hören. Ich musste auch immer wieder schmunzeln, weil es so vertraut klingt.
Es ging von Nikolaikirche, mit ihren imposanten Säulen, über den Augustusplatz mit der Oper, in der ich „Der Angsthase“ und „Hänsel und Gretel“ als Kind gesehen hatte, und dem Gewandhaus, in dem ich noch nie drinnen war, vorbei an der neuen Uni und dem Uni-Riesen (der heißt jetzt City Hochhaus, was ein blöder Name… für mich ist und bleibt das Ding der Uni-Riese), hin zur Moritzbastei, dem Überbleibsel der alten Stadtbefestigung, die heute ein Club ist, direkt an der Uni, wo Studenten gechillt haben, weiter zur Pleißeburg, besser bekannt als das Neue Rathaus, durch ein paar Seitenstraßen zur Thomaskirche, mit dem Johann Sebastian Bach davor und drinnen, da liegt er begraben, umzingelt von asiatischen Touristen, die alles möglich, aber vor allem das Grab fotografiert und gefilmt haben.
An einer Currywurstbude an dem kleinen Platz hinter der Thomaskirche, wo schon vor 25 Jahren die Tauben im Gras rumpickten und Kinder im Springbrunnen spielten, genau da haben wir eine kurze Mittagspause gemacht. Das war genau gegenüber von dem alten Messehaus, glaube ich jedenfalls. Egal, dort in dem Gebäude an der Ecke war ich mal mit meinem Vater bei einer Modelleisenbahnausstellung, wo zig Landschaften liebevoll aufgebaut und gestaltet waren.
Dann ging es zum Marktplatz, an dem das alte Rathaus steht, in seiner gelben Pracht mit den Arkadengängen, wo noch immer die gleichen Läden drin zu sein scheinen, wie damals als ich mit meinem Papa in eine Zinnsoldatenausstellung im Rathaus gegangen bin. Wir sind vorbei an der alteingesessenen Eisdiele Pinguin, die heute nur noch wegen ihres markanten, nostalgischen Pinguinschildes erkennbar ist. Das war in der DDR mal eine angesagte Eisdiele, da gab’s das Eis in diesen Metallikeisbechern. Kennt ihr die noch? Es ging dann runter zum Brühl und der Blechdose (einem riesigen Kaufhaus, das heute der Beginn des Einkaufscenters ist), wo ich mit Erschrecken mal wieder fest gestellt, dass die alte, blaue Fußgängerbrücke weg ist, mit der ich immer noch fest gerechnet hatte, und die früher über die Ringe auf die andere Seite ging, über die Ringen, auf denen die Montagsdemonstrationen 1989 statt fanden.
Während ich in all den Erinnerungen schwelgte, hörte sich mein Freund alles geduldig an, schaute sich auch alles interessiert an, was ich so zeigte und erzählte. Und weil wir noch Zeit hatten, sind wir zum Rosenthal geschlendert, dem zweiten riesigen Stadtpark neben dem Clara(-Zetkin)-Park. Eigentlich war der Plan, am Zooschaufenster zu pausieren, das in meinen Kindergartentagen so schön zu sehen war, vom Park und vom Zoo aus. Zooschaufenster heißt, dass man vom Rosenthal aus in die Gehege des Zoos schauen konnte, da, wo Zebras und Antilopen grasen und so. Meine Mama wird jetzt schmunzeln, weil sie mir immer wieder gern erzählt, dass ich als kleines Mädchen nur im Leipziger Zoo freiwillig und ohne Rumbocken gelaufen bin. Deswegen hatten wir eine Jahreskarte und ja, ich kenne mich auch heute noch, trotz großflächiger Umbauten und immer weniger Besuche über die Jahre noch ziemlich gut aus im Zoo.
Naja ich musste aber dann wieder mit Erschrecken feststellen, dass das einst so gut ersichtliche Zooschaufenster völlig zugewuchert war und dass man nur an einer kleinen Stelle mit viel Glück, durch das dichte Schilf und Dickicht auf die Savanne gucken konnte, und selbst dann hätte sich da mal auch ein Tier hinbequemen müssen. Kurz: Wir ham nüscht gesehen, aber im Schatten pausiert und Leute beobachtet. War witzig, was da für Jogger vorbei gelaufen sind.
Nach der wohltuenden Pause ging es zum Teil 2 der Stadtbesichtigung. Wir sind die letzten Einkaufsstraßen abgeklappert, die für Leipziger berühmt berüchtigte Hainstraße, die direkt zum Marktplatz führt. Und natürlich haben wir auch die ganzen Passagen mit versteckten Delikatessen-Läden und edlen Boutiquen mitgenommen, die sich durch die Häuserblöcke ziehen, inklusive der Specks Höfe mit dem Auerbachs Keller und Faust und so. Egal, wo wir waren, ich fühlte mich immer noch wie in meinem Zuhause, in der Heimat, in der ich die ersten elf Jahre meines Lebens groß geworden bin.
Ich habe mich nicht einmal verlaufen, weil ich die Straßen wie meine Westentasche kenne, zwar nicht mit Namen, aber halt jeden Winkel. Und daher fand ich es auch amüsant, als mein Freund sich in dem doch übersichtlichen Stadtzentrum absolut orientierungssicher glaubte und Ansagen machte, wohin wir jetzt gehen müssten. Er hat dann irgendwann gemerkt, dass er nicht ganz so richtig lag. Ich musste dann kurz korrigieren, mit einem fetten Schmunzeln, aber zugegeben hat er seinen kleinen Irrtum nicht so ganz.
Zum Abendessen ging es ins Barfußgässchen, einer alten Futtermeile, die vom Marktplatz abzweigt. In der kleinen Gasse reiht, besser drängelt sich ein Restaurant nach dem anderen, es ist so eng, dass man sich durch die Straßensitzen der Kneipen quetschen muss und wo es ab 19 Uhr echt schwierig wird, einen freien Tisch ohne Wartezeit zu bekommen. Gut, dass wir um die Ecke in der Klostergasse, ein recht ruhiges Ramen-Restaurant gefunden haben. Ramen sind diese japanischen Nudeln in einer Suppe mit Gemüse- und Fleischbeilage, oder wohl bekannter als die kleinen, knallbunten Packungen für 50 Cent aus dem Supermarkt des Vertrauens. Die hab ich in der juten alten Studienzeit immer gegessen und mit der Gewürzmischung immer die Bude zugestunken. Es geht ja nichts über eine ausgewogene Ernährung.
Also ich hatte leckere Ramen mit Kokos-Curry-Suppe, Lukas hatte gebratene Nudeln mit Hähnchen und Gemüse, aber das das Witzige war: Der Laden hatte kein Besteck, nur Essstäbchen. Und mein Freund kann damit nicht umgehen, das tut einem schon fast weh beim Zusehen – der arme Junge verhungert fast, weil im dauernd das Essen zwischen den Stäbchen wegflutscht. Aber die Kellnerin hatte die Lösung: „Hilfsstäbchen“. Saugeil. Ich hab mich fortgeschmissen, aber damit hat Lukas einwandfrei essen können, bis zum letzten Maiskorn. Das Essen war sehr lecker und mit einem letzten Rundgang durch die leuchtenden Straßen und Passagen der Altstadt haben unseren Abend in Leipzig ausklingen lassen.